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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele
Autoren: G Haderer
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vergangenen Nächten war er ein paarmal aus bösen Albträumen erwacht. Nichts Neues, die Waschmaschine seiner Seele – doch vielleicht konnte er sich mithilfe seines Therapeuten auch davon befreien. Um sechs Uhr hatte er seinen Termin, und er hatte sich in seinem Notizbuch aufgeschrieben, worüber er reden wollte. Warum hatte er nicht schon früher eingesehen, wie schlecht es um ihn stand? Egal, dachte er sich und räumte den Tisch ab.
    Nachdem er eine E-Mail seiner Nichte ausführlich beantwortet und sie gebeten hatte, sich in seinem Namen bei ihrem Freund zu bedanken, ging er ins Schlafzimmer und suchte im Kasten nach passender Freizeitkleidung. Seinen Mantel und ein paar Anzüge müsste er in die Reinigung bringen – die rochen ja schon wie der Hundezüchter Grafensteiner. Mit einer Trainingshose und einem Fleecepullover bekleidet ging er in die Küche und füllte eine Trinkflasche auf. Er packte sie zusammen mit einem Schokoriegel und einer Regenjacke in einen kleinen Rucksack, zog seine Trekkingschuhe an und verließ die Wohnung. Im Keller wischte er mit einer Zeitung den Staub vom Fahrrad und trug es die Stiegen hinauf.
    Erst am Gürtelradweg bemerkte er, dass die Reifen viel zu wenig Luft hatten. Er hielt bei einer Tankstelle und pumpte sie auf. Er war schon auf der Friedensbrücke, als er noch einmal kehrtmachte und ins Kriminalamt fuhr. Durch die Tiefgarage gelangte er zum Fahrstuhl und fuhr ins Untergeschoss, wo sich das Asservat befand. Er benötige ein Beweismittel im Fall Sonja Ziermann, teilte er dem diensthabenden Beamten mit.
    „Der hat doch ein volles Geständnis abgelegt“, erwiderte der Mann erstaunt.
    „Na, dann braucht ihr den Kram ohnehin nicht mehr“, meinte Schäfer und wunderte sich wieder einmal über den widerstandslosen Informationsfluss bei der Polizei. Der Beamte zuckte mit den Achseln, verschwand zwischen den Metallregalen und kam kurz darauf mit einem Karton zurück.
    „Viel ist es nicht“, meinte er und schob Schäfer den Karton hin.
    „Nein“, bestätigte Schäfer und hob den Deckel ab.
    Über den Schottenring fuhr er zum Franz-Josefs-Kai und dann den Donaukanal entlang flussabwärts. Für einen Arbeitstag waren erstaunlich viele Menschen unterwegs: Jogger, Radfahrer, Spaziergänger … und wenn sie nur eine halbe Stunde Zeit hatten, wollten sie den blauen Himmel nicht versäumen, die angenehme Temperatur, diesen Tag, wo der Frühling dem Winter einen ersten Schuss vor den Bug setzte. Auf der Donauinsel legte Schäfer eine Pause ein. Seine Muskeln spannten – für seine Kondition war er wohl doch etwas zu schnell losgefahren. Er setzte sich auf eine Bank, trank einen Schluck und sah auf das grüne unbewegte Wasser der Neuen Donau, in dem sich die ufernahen Bäume spiegelten. Schön. Er streckte sich durch, machte ein paar Dehnungsübungen und fuhr weiter. Zwanzig Minuten später hatte er den Alberner Hafen erreicht. Weil ihn das Gesäß schmerzte, stieg er ab und schob das Fahrrad über den groben Schotterweg. Ein paar Fischer dösten am Ufer in ihren Liegestühlen, Bierflaschen in den Kühlboxen, daneben wie als Alibi die Angel in der Haltevorrichtung. Schäfer erreichte die Stelle, wo sie im November Sonja Ziermann aus dem Wasser geholt hatten. Er legte das Fahrrad in die Wiese, packte seinen Rucksack aus und setzte sich auf seine Regenjacke. Nachdem er den Schokoriegel gegessen und die Wasserflasche leer getrunken hatte, legte er sich auf den Rücken und sah in den Himmel. Er musste aufhören, alles verstehen zu wollen. Das machte es nicht besser. Er griff abermals in seinen Rucksack, stand auf und ging zum Wasser vor, zog Schuhe und Socken aus, setzte sich und hielt die Füße hinein, bis es wehtat. In seinen Händen hielt er eine orangefarbene Plastikente. Er beugte sich vor und setzte sie in den Fluss. Er schaute ihr nach, bis sie verschwunden war.

Georg Haderer
Schäfers Qualen
Kriminalroman
272 Seiten, fest gebunden mit Schutzumschlag
€ 17.90/sfr 31.90
ISBN 978-3-85218-598-9
    Die österreichische Krimi-Neuentdeckung: der erste Fall von Polizeimajor Schäfer – blutig, pointiert und bis zur letzten Seite spannend.
    Die Vergangenheit ist ein Hund – und wenn sie zubeißt, lässt sie einen nicht mehr los. Diese schmerzhafte Erfahrung macht Johannes Schäfer von der Wiener Kriminalpolizei, als er in einem Mordfall in Kitzbühel ermittelt: Ein Unternehmer aus der Stadt wurde bewusstlos geschlagen und an einem Gipfelkreuz aufgehängt. Wenig später geschieht ein
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