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Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Titel: Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
Autoren: Nelly Arnold
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Gesichtsausdruck. »Ich weiß, dass Geld nicht nebensächlich ist, aber das ist auch nicht so wichtig, oder?«
    Louise prustete in sich hinein. »Für dich nicht, schon klar.«
    »Ach, weißt du, Louise, ich hab’s satt, andere davon überzeugen zu müssen, dass Geld nicht alles ist.« Olivia starrte vor sich auf den Teppich. Wir starrten sie alle an. »Meine Eltern schickten mich in einem normalen Stadtviertel zur Schule, damit ich so normal wie möglich aufwuchs. Ich fuhr jeden Tag vierzig Minuten mit der Straßenbahn zur Schule und danach wieder zurück. Ich weiß, dass meine Eltern es gut gemeint haben, aber ich war der totale Außen seiter, weil die anderen Kinder wussten, wer meine Eltern waren. Also hatte ich immer diesen Druck, nicht aufzufallen, normaler als die anderen zu sein. Und wenn ich zufällig oder unbeabsichtigt doch irgendwie auffiel, sagte man: ›Du denkst wohl, du bist was Besseres‹, oder eben: ›Nur weil du reich bist …‹ Ich kann euch gar nicht sagen, wie mich das ankotzte. Eigentlich bin ich ein bescheidener Mensch. Das müsstet ihr doch gemerkt haben?« Sie sah uns an.
    Wir nickten. Im Grunde genommen war Olivia sogar einer der bescheidensten Menschen, die ich kannte. Ihre Kleidung sah schwer nach secondhand aus, sie schminkte sich nicht, und in ihrem Souterrain waren nur Dinge, die ein Mensch wirklich brauchte, nicht der kleinste Schnickschnack.
    »Jedenfalls finde ich es sehr ungerecht, dass meine Familie mir vorwirft, ich würde ihnen auf der Tasche liegen, denn ich habe keine großen Ansprüche, hatte ich noch nie. Meine Eltern sind einfach nur schwer enttäuscht von mir.«
    Annett seufzte. »Weil du lesbisch bist?«
    »Ja, auch. Und weil ich nicht studieren will. Ich möchte einfach nur Bücher schreiben, Menschen beobachten, in den Tag hinein leben und Gutes tun.«
    Louise sah Olivia amüsiert an. »Das klingt echt geil, Olivia, aber das reale Leben sieht ein bisschen anders aus.«
    »Ich weiß. Das Geld, das ich im Hundesalon bekomme, reicht kaum zum Leben. Was ich im Monat verdiene, das bekommt mein Vater in einer Stunde.«
    »Hast du Geschwister?«, wollte Louise wissen.
    Olivia schüttelte den Kopf.
    »Das heißt, diese ganze Kohle wird mal dir allein gehören?«
    Olivia nickte.
    »Nicht schlecht, Baby. Was wirst du damit machen?«
    »Ich werde so leben, wie ich es mir wünsche, und ich werde es mit den Armen teilen.«
    »Jetzt komm mal runter von diesem Idealistenpfad. Du wirst eine Firma führen und wahrscheinlich zwölf Stunden am Tag arbeiten.« Louise verstand es, Menschen wieder auf den Teppich zu holen.
    »Ich könnte das Werk verkaufen.«
    »Na, dann wärste schön blöd. Aber du bist ein schräger Vogel, ich trau dir alles zu.«
    Olivia lächelte sogar ein bisschen über Louises bissigen Kommentar.
    »Es tut mir leid, dass ich euch belogen habe.«
    »Gute Güte, Kindchen. Kleine Lügen versüßen das Leben und machen die Dinge manchmal einfacher.«
    »Aber manchmal auch schwieriger«, beharrte ich. »Man kann sich in seinen Lügen so verstricken, dass es einen am Ende Kopf und Kragen kostet.«
    »Aber das ist doch nicht passiert.« Annett bemühte sich um einen freundlichen Tonfall und blickte lächelnd in Olivias Richtung. »Na, jedenfalls sind wir dir nicht böse.«
    »Und es erklärt so manches im Nachhinein«, warf Louise ein, »Olivias Idealismus zum Beispiel. Wobei ich ehrlich sagen muss, dass ich gerne eine Portion davon hätte.«
    »Ach«, winkte Annett ab, »wir haben doch alle unsere kleinen Lebenslügen.«
    »Wieso, welche hast du denn?«, fragte ich sie.
    »Ich? Na ja, ich weiß nicht …«
    »Raus damit.«
    »Also gut, wenn wir schon dabei sind: Es stimmt nicht, dass ich bis dreißig schlank war.«
    »Sondern?« Ich wollte es genau wissen.
    »Ich hab schon immer gern gegessen. Schlank war ich noch nie.«
    »Und warum erzählst du das?«
    Annett wurde ernst. »Weil es sich so gut anfühlt zu sagen, ich war mal schlank. Weil es für mich fast schon etwas Abstraktes ist, kaum erreichbar sozusagen.«
    Ich sah sie an. »Aber du könntest versuchen abzu…«
    Sie hielt mir die Handfläche vors Gesicht. »Bitte nicht. Ich habe schon die verschiedensten Diäten ausprobiert. Tatsache ist nun mal, dass ich gerne esse. Punkt.«
    Wir bestätigten ihr, dass wir ihre Einstellung teilten. Ich fand es sogar klasse, wie sie sich damit arrangierte und es als einen Bestandteil ihres Lebens akzeptiert hatte. Sie versteifte sich nicht darauf, irgendetwas ändern zu
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