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Ohne Beweis (German Edition)

Ohne Beweis (German Edition)

Titel: Ohne Beweis (German Edition)
Autoren: Petra Mehnert
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herein. 
    „Sorry, Nora. Ich hab noch was verg … Kamil!“, rief dieser Scheißbulle, doch als er die Schere an Noras Hals sah, handelte er wohl instinktiv richtig, indem er schnell die Türe zuzog und sich davor stellte. Er wusste genau, dass ich am längeren Hebel saß. 
    „Was willst du, Kamil? Wir haben der Polizei nicht verraten, dass du Carmen mit dem Messer bedroht hast. Mach es jetzt doch nicht wieder schlimmer! Bisher können Sie dich nur wegen Freiheitsberaubung drankriegen und wenn wir alle aussagen, dass das alles ein Missverständnis war, bist du ein freier Mann. Das ist es doch, was du willst, oder nicht?“, fragte Joska und man sah ihm an, dass er der Situation nicht so gut gewachsen war, wie er vorgab. Er hatte tierische Angst um seine kleine Freundin und das konnte ich mir nun zu Nutze machen. Dieser Bulle wusste ganz sicher, was mit meinem Vater geschehen war.  
    „Du mir die Wahrheit über meine Vater sagen!“, kommandierte ich und drückte die Spitze der Schere noch etwas weiter in Noras Haut.  
    „Lass sie in Ruhe, Kamil. Das hat doch alles keinen Sinn!“, versuchte Joska mich zu beruhigen, doch ich schüttelte nur den Kopf: 
    „Die Wahrheit!“, presste ich hervor und ich erkannte meine eigene Stimme kaum wieder.  
    „Also gut. Wenn du es nicht anders haben willst“, hob Joska an, doch Carmen rief: „Nein!“ 
    „Wir haben momentan keine andere Wahl, Carmen. Wenn er es so haben will und so versessen darauf ist, zu erfahren, dass sein Vater ein Vergewaltiger war …“, sagte der deutsche Polizist und plötzlich war es totenstill in diesem Krankenzimmer. Man hörte nur noch das Ticken der Uhr und meinen keuchenden Atem. Mir schwirrte der Kopf von den vielen deutschen Worten, die ich nur zum Teil verstanden hatte. Aber da alle hier im Raum so entsetzt dreinblickten, musste das Wort mit „Gewalt“ etwas Schreckliches bedeuten, sonst hätten sie mir doch die Wahrheit über meinen Vater schon längst gesagt. Meine Ratlosigkeit musste in meinem Gesicht abzulesen gewesen sein, denn Carmen fragte leise: 
    „Weißt du, was Vergewaltiger bedeutet, Kamil?“  
    Ich schüttelte den Kopf und hatte plötzlich wahnsinnige Angst vor der Erklärung, dennoch brachte ich es nicht über mich, zu sagen, dass ich es nun doch nicht wissen wollte. Gespannt sah ich Carmen an, doch der Polizist nickte ihr zu und antwortete selbst: 
    „Es gibt Männer, die Frauen Gewalt antun, damit sie Sex mit ihnen haben können. Es gibt Briefe, in denen jemand mit dem Namen deines Vaters beschrieben wird, der so etwas mit einer Frau getan haben soll. Der Bruder dieser armen Frau hat deinen Vater dann umgebracht. Verstehst du das alles, Kamil?“, fragte Joska fürsorglich, als spräche er mit einem kleinen Kind. Und wie ein solches fühlte ich mich auch – ich fühlte mich wieder zurückversetzt in meine Kindheit, wo es auch Männer gab, die meiner Mutter Gewalt angetan hatten. Ich fühlte wieder diese irre Angst vor diesen Männern und nun sollte mein eigener Vater auch einer von denen gewesen sein? Und ich war von seinem Fleisch und Blut. Auch ich hatte Carmen Gewalt angetan – ich war genauso wie er. 

68 
     
    „Nein!“, kreischte Nora, als sie sah, wie Kamil sich plötzlich die Schere an den eigenen Hals hielt und zustechen wollte. Instinktiv schlug sie nach ihm und die Schere verfehlte nur knapp seinen Hals. Unmittelbar darauf hechtete Joska mit einem Sprung auf Kamil und riss ihn zu Boden. Verzweifelt hielt Kamil die Schere umklammert, er versuchte jedoch nicht mehr, sich selbst zu verletzten. Sein ganzer Körper war auf Flucht ausgerichtet und er kämpfte wie ein wildes Tier, um sich aus Joskas Umklammerung zu befreien. Die Männer rangen am Boden und gaben dabei eigenartigerweise kaum einen Laut von sich. Nur unterdrücktes Keuchen war zu vernehmen. Nora schaute dem Treiben zunächst wie versteinert zu, als die Schere aber mehrmals bedrohlich nahe an Joskas Gesicht geraten war, ging ein Ruck durch ihren Körper. Sie musste ihrem Geliebten zu Hilfe kommen – ihm durfte nichts passieren. Von den Kämpfenden unbemerkt rückte sie näher, doch Carmen schrie entsetzt auf. Sie wollte nicht, dass sich Nora auch noch in Gefahr brachte, doch ihr Aufschrei hatte die beiden Männer kurz abgelenkt. Diesen kurzen Moment nutzte Nora und entriss Kamil seine Waffe. Mit einem unmenschlichen Schrei und seiner Aussicht auf Erfolg beraubt, bäumte sich Kamil ein letztes Mal auf, um dann wie leblos in sich
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