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Oh, diese Verwandschaft!

Oh, diese Verwandschaft!

Titel: Oh, diese Verwandschaft!
Autoren: Mary Scott
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verbirgt sich eine große Verletzlichkeit.«
    »Verletzlich? Wie meinen Sie das?«
    Gilbert wollte ausweichen. Er sagte nur: »Menschen wie er neigen zum Leiden, und...«
    Die Tür öffnete sich, und Anne Gilbert kam leise herein. Die Morgensonne umfing sie, und Laura dachte: Du bist ebenso schön wie gut!
    Anne trat zu ihr und nahm ihre Hand. »Du tust mir so leid! Und doch: wie schön für dich, daß du so eine Großmutter hattest! Ich werde sie nie vergessen. Man kann sie nicht vergessen!«
    In ihren sanften Augen standen Tränen, und Laura spürte, wie auch ihr die Tränen kamen. Aber zugleich verspürte sie auch ihre alte Liebe und Bewunderung für diese Frau. Mit ihren sechsundzwanzig Jahren befand sich Anne auf dem Gipfel ihrer Schönheit und Anmut. Wie glücklich mußte dieser ruhige Gelehrte, der so vornehm aussah und mit einem so glänzenden Verstand begabt war, sein, daß er sie für sich gewonnen hatte. Und wie schön für die Jungen, eine so jugendliche, hübsche und kluge Frau an der Seite ihres Direktors zu haben!
    Anne ging mit ihr zum Wagen. »Hugh wird sehr niedergeschlagen sein«, meinte sie. »Er nimmt sich alles so zu Herzen. Viel zu sehr. Er braucht viel Liebe — aber er hat ja dich, Laura. Er ist glücklich dran.«
    Laura war etwas beunruhigt, als sie abfuhr. Aber Hugh war doch in Ordnung! Verwirrt stellte sie fest, daß sie nicht einmal Lust hatte, auf Hugh aufzupassen, den sie doch so liebhatte. Sie hatte es einfach satt, auf die anderen aufzupassen.
     
     

3
     
    Schon seit einigen Jahren hatte Großmutter kein Geld mehr für das Haus aufwenden wollen, obwohl sie doch eine großzügige und außerordentlich praktische Person gewesen war. »Für den Augenblick ist es noch gut genug«, pflegte sie zu sagen. »Es wäre dumm, Geld in ein so weitläufiges, altmodisches Haus zu stecken. Eines Tages bauen wir uns ein neues; kleiner, moderner und leichter zu bewirtschaften.« Und als es immer klarer wurde, daß die Straße begradigt werden würde, meinte sie triumphierend: »Wir lassen es einfach stehen. Sie werden es abreißen müssen, wenn sie die Straße bauen.«
    Das Problem wurde jetzt akut. Wie viele Landstraßen war auch die an ihrem Haus voller Kurven und voller gefährlicher Biegungen. Das hätte nichts ausgemacht, wenn der Verkehr nicht so dicht gewesen wäre. Aber das Land war im Wert gestiegen, und immer mehr Leute waren hergezogen, die es eilig hatten und die eben nicht nur vierzig Meilen in der Stunde fuhren, um einen Verkehrsunfall zu vermeiden.
    Einige Unfälle hatte es in der Nähe von Brookside bereits gegeben. Da war eine besonders unübersichtliche Kurve, mit einem steilen Hang auf der einen Seite und einer stark in den »Brook«, den Bach, abfallenden Böschung auf der anderen Seite. Der »Bach« war in Wirklichkeit ein Fluß mittlerer Größe. Zwei Unfälle, ein Zusammenstoß und ein Absturz in den Fluß bei Nacht und dichtem Nebel, hatten tödliche Folgen gehabt. Es hatte eine Welle der Empörung gegeben, und man hatte mit einem Bulldozer einen Teil des Hanges abgetragen. Aber die Steuerzahler behaupteten, das sei noch nicht genug. Die Landstraße wäre jetzt eine Hauptverkehrsstraße und müßte begradigt und befestigt werden. Wenn das geschehen sollte, gab es nur eine Möglichkeit: das alte Brookside-Haus mußte abgebrochen werden.
    Das hatte Großmutter als ausgezeichneter Vorwand gedient, bei allen Reparaturen und notwendigen Instandhaltungsarbeiten zu sparen. »Für den Abbruch müssen sie uns etwas bezahlen. Dann wollen wir ein neues Haus bauen, Laura. Wir müssen auf dem laufenden bleiben, wie weit die Pläne gediehen sind. Es kann nicht mehr lange dauern.«
    Aber zu ihren Lebzeiten war es nicht so weit gekommen, und obgleich die Klagen über die Straße immer lauter wurden, wurde nichts über eine neue Straßenführung bekannt. Das bedeutete, daß Laura in Kürze mit beträchtlichen Ausgaben rechnen mußte. Denn wenn das alte Haus Derek und ihr und nicht zuletzt auch den »Waisenkindern« als Heim erhalten bleiben sollte, mußte dringend etwas dafür getan werden.
    Und dann kam eines Morgens grollend Joseph Spencer herüber. »Da sind ein paar Kerle am Tor, Feldvermesser wahrscheinlich. Sie vermessen irgend etwas und machen ein Mordsgetue. Mir scheint, sie unternehmen jetzt doch etwas mit der Straße. Wenn das stimmt, was wird dann aus mir?«
    Derek versuchte, ihn zu beruhigen. »Dein Bungalow ist sicher. Da brauchen sie nichts zu machen. Unser Haus steht ihnen im
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