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Öl!

Titel: Öl!
Autoren: Upton Sinclair
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knapp dreißig an der Zahl, waren überwiegend weltanschaulich motiviert. Wie zu erwarten fiel das Urteil im konservativen Lager ablehnend aus. Dessen Verdikt lautete: abgeschmackte Tendenzliteratur mit klassenkämpferischem Hautgout. Im besten Falle fand man es «jammerschade, dass die gewaltige Suggestion des Marxismus auch einen so freien Geist wie Sinclair in ihren Fesseln hält» (Franz Oppenheimer). Die moralische Ereiferung indes hielt sich in Grenzen, zumal «die Liebesszenen das am wenigsten Aufreizende an Sinclairs Werk sind», wie ein Kritiker namens Elias Canetti treffend konstatierte: «Naivität, zu simple Darstellung längst als kompliziert erkannter Vorgänge, unbeirrbare Gleichgültigkeit den ‹Mysterien› des Einzelnen gegenüber sind die Hauptvorwürfe, mit denen ein ästhetisiertes Europa Upton Sinclair abtut.» Canetti plädiert demgegenüber dafür, die elementare Naivität des Amerikaners ebenso ernst zu nehmen, wie sie selbst sich gebe.
    Den einen zu sehr Genosse, um ein guter Literat zu sein, den anderen zu sehr Literat, um ein guter Genosse zu sein. So nahmen kommunistische Organe Anstoß an Sinclairs «theoretisch nicht genügend fundiertem», «unmaterialistischem», «bürgerlich-idealistischem» Klassenstandpunkt, während die sozialdemokratische und linksliberale Presse den progressiv-aufklärerischen Roman vorbehaltlos rühmte. In der Weimarer Republik zählten namhafte deutsche Linksintellektuelle zu Sinclairs Fürsprechern, allen voran sein Verleger Wieland Herzfelde. Siegfried Krakauer pries trotz mancher Einschränkung «die wundervolle Gesinnung dieses Dichter-Revolutionärs». Albert Ehrenstein nannte ihn einen «gewaltigen Romancier», der in seinem jüngsten Werk ein Netz ausbreite, «das Schleppnetz, mit dem die kalifornischen Petroleumexploiteure das große Publikum fangen», und einen «unentwegt radikalen Edelmenschen», der neben Frank Norris, Jack London und John Dos Passos zu den obersten Anklägern der «gewinnsüchtigen, mordtüchtigen Methoden des Mammonismus» gehöre. Im Januar 1928 stattet Klaus Mann dem «Exponiertesten der amerikanischen Literatur» einen Besuch in Hollywood ab und notiert tief beeindruckt: «Ein leidenschaftlicher Arbeiter, ein mutiger Kämpfer der guten Sache.» Eine Fotografie aus dem Jahr 1929 zeigt Egon Erwin Kisch in New York an der Seite Charlie Chaplins und Upton Sinclairs; diese beiden, so erfahren die Leser der Neuen Bücherschau , zählten zu den «Gerechten, um derentwillen Amerika verschont werden muss vor dem Schicksal Sodoms und Gomorrhas». Manch deutscher Genosse im Geiste lässt sich im Überschwang gar zu lyrischen Ergebenheitsadressen hinreißen. Berthold Viertel reimt in Knittelversen «Ein großer Arbeiter, der selten ruht» auf «Ihr Kinder, merkt euch Upton Sinclair gut!». Und Briefschreiber Albert Einstein radebricht am 26. Mai 1932 von Potsdam nach Princeton: «Wen ficht der schmutzigste Topf nicht an? / Wer klopft der Welt an den hohlen Zahn? / Wer verdächtigt das Jetzt und schwört auf das Morgen? / Wem macht kein ‹undignified› je Sorgen? / Der Sinclair ist der tapfre Mann. / Wenn einer, dann ich es bezeugen kann.»
    Anlässlich seines fünfzigsten Geburtstags hatte Alexander Abusch in der Roten Fahne geargwöhnt, dass man in der Welt der bürgerlichen Literatur wohl nur «die ‹Interessantheit› seiner Stoffe literarisch beklatschen» würde, um «über die klassenkämpferische Gesinnung mit einem verabredeten Augenblinzeln» hinwegzugehen. Mit Hitlers Machtübernahme hatte es sich dann ganz ausgeblinzelt; Sinclairs Bücher waren unter den ersten, die die Nazis in die Flammen warfen. Nach dem Krieg, im befreiten, aber geteilten Deutschland, war auch die Wahrnehmung eine geteilte. 1948 , zum Siebzigsten, kamen Glückwünsche aus Wien, adressiert an einen Jubilar, «den keine Prosperity verderbt und keine Depression deprimiert» habe (Hugo Huppert). Da sich der Autor kritisch über die Sowjetunion äußerte, galt er der DDR als Unperson; aber auch der jungen Bundesrepublik blieb der bekennende Antikapitalist suspekt. Literarisch wurde er von einem anderen US -Haudegen mit ungleich mehr linkem Sex-Appeal überstrahlt: Ernest Hemingway. Der «Johannes der Schlachthöfe» (Jürg Federspiel) schien seinen Ruhm überlebt zu haben.
    In einem neu verfassten Vorwort zur Taschenbuchausgabe von Oil! lässt im Jahre 1966 ein abgeklärter, an seinem Lebensabend Rückschau haltender Romancier die Entstehungs- und
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