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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller
Autoren: Bastei Lübbe
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gleichgültig.
    Tulpen
    ... und nun, meine lieben Freunde, kommt der Augenblick, den Sie alle erwartet haben. Heute küren wir den Sieger unseres großen Spiels »Zu dumm, um aus dem Bus zu gucken«, den Kandidaten - oder die Kandidatin -, der unserer gestrengen Jury den besten Blödsinn erzählt hat. Der glückliche Gewinner darf sich über eine wunderbare Wohnung in der luxuriösen Schweizer Enklave Sion freuen, inmitten der gesellschaftlichen Crème de la crème und einer Umwelt, die ab-so-lut geschützt ist! Ehe wir jedoch den Gewinner bekannt geben, möchte ich Ihnen das lauschige Liebesnest vorstellen, das unser Sponsor Rebuilt uns zur Verfügung gestellt hat ...
    »So ein Blödsinn«, seufzt Aneke Schneider. Sie lümmelt sich auf dem Sofa in ihrem Reihenhaus in Swifterbant, nördlich des Polders Flevoland. Zwischen den Fingern hält sie einen erloschenen Joint und verfolgt zerstreut die Sendung »Zu dumm, um aus dem Bus zu gucken« auf dem großen Wandbildschirm. Das von dem berühmten Moderator Wim Brinker geleitete Spiel ist so ungefähr das Schwachsinnigste, was sie je gesehen hat, wird jedoch angeblich von zehn Millionen Niederländern regelmäßig eingeschaltet. Aneke hätte gerne weitergezappt, aber das Gras, das Rudy anbaut, ist einfach viel zu gut, und sie weiß nicht mehr, wo sie die Fernbedienung gelassen hat. Zum Aufstehen hat sie jedenfalls nicht die geringste Lust. Von Zeit zu Zeit wirft sie einen müden Blick auf ihre vierjährige Tochter Kristin, die bäuchlings auf dem Teppich liegt und mit Hingabe dabei ist, auf ihrer Babybox-Konsole außerirdische Monster zu massakrieren. In regelmäßigen Abständen knurrt, grölt und kracht es aus dem Kästchen, und ebenso regelmäßig jauchzt Kristin: »Hey, jetzt hab ich dich!«
    Ich sollte mal was zu essen machen, denkt Aneke und seufzt erneut. Es ist fast sieben, und die Kleine hat bestimmt Hunger ... Außerdem muss ich mich um die Gewächshäuser kümmern. Draußen tobt ein heftiger Sturm. Der Wind brüllt, und Regen klatscht gegen die heruntergelassenen Läden; Aneke befürchtet, dass die Gewächshäuser Schaden nehmen könnten. Um die Anlagen zu überprüfen, braucht sie nur in Rudys Büro zu gehen, den Computer zum Leben zu erwecken und die Kameras und die Anzeigen für Temperatur, Luftfeuchtigkeit, pH-Wert, die Leistung des Verteilers und solche Dinge zu kontrollieren. Doch selbst diese Anstrengung erscheint ihr fast unmenschlich. Aneke neigt dazu, zu viel zu rauchen, wenn Rudy nicht da ist. Es hilft ihr, die Einsamkeit und die Langeweile zu ertragen, redet sie sich selbst ein, fühlt sich aber trotzdem in gewisser Hinsicht schuldig. Sie ist immerhin fünfunddreißig und sollte es allmählich ein wenig gemächlicher angehen lassen. Und überdies vergeudet sie ihre Zeit mit »Zu dumm, um aus dem Bus zu gucken«, während Rudy sich in Brüssel aufhält, wo er mithilfe der Gewerkschaft seine Position vor der Agrarkommission vertritt. Rudy züchtet Blumen, unter anderem auch die berühmten holländischen Tulpen. Das mag zwar nichts Besonderes sein, aber immerhin ist es besser, als in homöostatischen Fabriken transgene Hühnchen ohne Federn für den Export zu züchten. Allerdings wird die holländische Tulpenproduktion von einer chinesischen Konkurrenz bedroht, die mit Mafiamethoden arbeitet und, so vermutet Aneke zumindest, Tausende von Kindern unter sieben Jahren dazu zwingt, für zwei Yuan am Tag zu schuften, um das von Universal Seed ausgebrachte Saatgut wieder aufzulesen. Und zu allem Überfluss hat die europäische Agrarkommission aufs Neue die Subventionen der holländischen Blumenzüchter verringert, was dazu führt, dass Leute wie Rudy auf einem ohnehin engen Markt - denn wer hat heutzutage noch die Mittel, Blumen zu verschenken? - die Preise nach oben korrigieren mussten. Das Risiko, in die Pleite abzudriften, ist seither für kleine Unternehmer stark angestiegen.
    Das alles nervt Aneke ganz ungemein. Hinzu kommt, dass das freudlose, unendlich flache und landschaftlich uninteressante Flevoland sie deprimiert. Sie sehnt sich nach Bayern, wo sie geboren ist und wo es echte Bäume und eine Vegetation gibt, die diesen Namen wenigstens verdient. Das ist der wahre Grund für ihr exzessives Rauchen. Rrrooooarr-pfiuu-bumm-arrrgh kommt es aus der Babybox. Auch dieses Geräusch macht sie nervös.
    »Dreh ein bisschen leiser, Mäuschen«, murmelt sie. »Du musst aber jetzt sowieso aufhören, wir essen nämlich gleich.«
    »Noch nicht, Mama. Ich habe es
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