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Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
Autoren: Tricia Rayburn
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einer halben Meile eine Mole erreichten, half Simon mir beim Überklettern der Felssteine.
    Er war gerade auf der anderen Seite in den Sand gesprungen und hielt mir die Hände entgegen, als ich erstarrte.
    Raina und Zara Marchand waren nur zehn Meter entfernt. Sie hatten uns den Rücken zugekehrt und gingen in langen Röcken und langärmeligen Blusen den Strand entlang. Während ich sie noch mit hämmerndem Puls und schweißnassen Händen anstarrte, begann Zara sich umzudrehen.
    Ich riss die Augen auf und versuchte, Simons Namen zu rufen, aber kein Laut kam heraus.
    »Vanessa?«
    Finger schlossen sich um mein Fußgelenk, und ich sprang zurück.
    »Ist alles okay?«, fragte Simon.
    Ich schaute von meinem Knöchel zu seinen Händen, die auf dem Rand der Steinmole ruhten, und dann wieder in Richtung der Frauen am Strand. Die beiden waren bei einem Picknickkorb angekommen und packten lachend und redend die Reste ihres Mittagessens zusammen. Jetzt konnte ich ihre Gesichter deutlich erkennen und stellte fest, dass sie in Wirklichkeit kein bisschen wie Raina und Zara aussahen.
    »Sorry. Mir geht’s gut.« Hastig machte ich einen Schritt auf ihn zu und sprang. Als meine Füße im Sand auftrafen, waren die Frauen schon einen Wanderpfad entlang verschwunden, der von der Küste wegführte.
    »Ein einsames Stück Strand in Autoreichweite vom Campus«, sagte Simon, als wir weitergingen, »das ist doch ein ziemlich gutes Argument für das Bates College.«
    Er griff nach meiner Hand. Ich ließ zu, dass er mich an sich zog, und legte die Arme um seine Taille. So standen wir eine Weile voreinander. Ich hatte den Kopf an seine Brust gelehnt, Simon hielt mich in den Armen und ließ das Kinn auf meinem Scheitel ruhen. So sicher und glücklich hatte ich mich nicht mehr gefühlt, seit ich ihn vor zwei Wochen das letzte Mal besucht hatte.
    »Heute Morgen habe ich mit Caleb gesprochen«, teilte er mir ein paar Minuten später mit.
    Ich lehnte mich ein Stück zurück, um ihm in die Augen schauen zu können. »Wie geht es ihm?«
    »Er reißt sich zusammen, arbeitet möglichst viel am Yachthafen, hilft bei den Vorbereitungen fürs Saisonende.«
    »Ich bin immer noch überrascht, dass er zu seinem alten Job zurückgekehrt ist. Klar, er ist ein Riesenfan von Captain Monty – aber man sollte doch denken, dass er für eine Weile lieber an Land bleibt.«
    »Ich glaube, er fühlt sich ihr näher, wenn er draußen auf dem Wasser ist. Oder auf dem Eis, um genau zu sein.«
    Ich schwieg. Vermutlich hatte er recht, immerhin war Caleb dabei gewesen, als Justine zum letzten Mal in ihrem Leben von den Klippen in den Strudel des Meeres gesprungen war. Aber die Vorstellung machte mich traurig. Ich hatte Caleb ganz neu kennengelernt, als wir ihn nach dem Unfall gesucht und seine Freunde ausgefragt hatten, und erst recht später, nachdem wir ihn gefunden und gemeinsam erforscht hatten, weshalb in Winter Harbor ein Mensch nach dem anderen ertrank. Er war ein netter Junge und keineswegs der faule Rumtreiber, für den meine Mutter ihn immer gehalten hatte. Erst damals hatte ich erfahren, wie sehr er Justine geliebt hatte und dass ihre Gefühle für ihn ebenso stark gewesen waren. Sie hätte nicht gewollt, dass er ihr immer noch nachtrauerte und nicht von einer Vergangenheit loskam, an der er nichts ändern konnte. Nein, Justine hätte gewollt, dass er nach vorn schaute.
    Genau das Gleiche wünschte ich mir auch für Simon. Zumindest versuchte ich mir das einzureden.
    »Er hat gesagt, dass die Temperaturen allmählich wieder steigen. Gestern waren es sechzehn Grad, also fast schon normal für diese Jahreszeit.«
    »Was ist mit Gewittern?«
    »Seit Wochen kein Wölkchen am Himmel.«
    Ich entspannte mich in seinen Armen und schmiegte die Wange an seine Brust. »Da bin ich aber erleichtert.«
    »Allerdings war das nicht alles, was er gesagt hat.«
    Ich starrte auf den sanft wogenden Horizont und hoffte, dass Simon nicht hörte, wie mein Puls zu rasen begann.
    »Vanessa?«
    »Das Eis taut.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    Er trat zurück und hob mein Kinn. »Drei Monate lang war alles gefroren.«
    Ich nickte.
    »Eine einzige Eisschicht, vom Meeresboden bis zur Oberfläche. Was immer darin gelebt hat, ist nun tot – und zwar schon eine ganze Weile.«
    Wie gerne hätte ich ihm geglaubt, doch dafür hatte es schon zu viele wissenschaftlich unerklärliche, vorher kaum denkbare Phänomene in Winter Harbor gegeben: die plötzlichen, heftigen Stürme im
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