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Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
Autoren: Tricia Rayburn
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Müsli auf dem rostigen Dach des Wagens ab und half mir, die Tasche hineinzubugsieren. »Ich bin schon monatelang nicht gefahren. Auf ein paar Wochen mehr kommt es auch nicht an.«
    »Ein paar Wochen?« Moms Stimme rutschte eine Oktave höher.
    Ich plazierte meine Hände neben Dads auf der Kofferraumklappe und drückte sie energisch nach unten. Als sie sich hörbar schloss, ging ich um das Auto herum zum unteren Ende der Eingangstreppe.
    »Ich weiß nicht genau, wie lange ich bleibe«, erklärte ich. »Vielleicht ein paar Tage, eine Woche oder auch länger.«
    »Mir ist nicht klar, warum du überhaupt wegfährst. Nach allem, was passiert ist –«
    »Du gehst wieder zur Arbeit, Dad schreibt den ganzen Tag. Was soll ich hier mit mir anfangen?«
    »Freunde besuchen«, schlug Mom vor. »Ins Kino gehen. Dich mit einem guten Buch entspannen.«
    »Mit einem Buch entspannen?« Ich schüttelte den Kopf. »Das schaffe ich nicht.«
    »Jacqueline«, sagte Dad sanft. »Vanessa muss tun, was sie tun muss. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, unser kleines Mädchen gehen zu lassen, aber sie ist siebzehn.«
    »Sie mag ja siebzehn sein, trotzdem ist sie noch ein Kind«, erwiderte Mom, als sei sie froh, dass jemand endlich diesen entscheidenden Punkt angesprochen hatte. »Vanessa, mein Schatz, du bist noch nie allein weg gewesen. Und deine längste Strecke mit dem Auto war bis zur Shopping-Mall.«
    Ich eilte die Treppe hoch und blieb eine Stufe unter Mom stehen. »Ich bin bald wieder da. Versprochen.«
    Als sie mich fest in die Arme nahm, fühlte ich mich schuldig. Und nervös. Außerdem traurig, ängstlich und verwirrt. Ein Teil von mir war in Versuchung, zurück ins Haus zu rennen, ins Bett zu schlüpfen und so lange zu schlafen, bis ich alles vergessen konnte. Vielleicht gelang es mir sogar, so zu tun, als sei Justines Tod nur ein neuer Alptraum, der mich beim Löschen des Lichts in Schrecken versetzte.
    »Öl und Wasser sind in Ordnung«, verkündete Dad, bevor ich meine Meinung ändern konnte, »der Hebel für die Scheibenwischer ist rechts vom Lenker, der Schalter für das Licht ist links. Du kannst dich auf meine alte Dame verlassen. Sie bringt dich dahin, wo du hinmusst.«
    »Du bist einfach super, Big Papa.« Ich joggte die Stufen hinunter und stieg ins Auto.
    »Du auch, Kleines.« Er schloss die Tür hinter mir und betrachtete mich durch das offene Fenster. »Noch eine Sache. Wie jede rüstige alte Lady wird sie leicht müde, besonders berghoch. Wenn sie nicht mehr richtig mitmachen will, gehvom Gas. Falls du versuchst, sie mit Gewalt auf Touren zu bringen, rollt sie wahrscheinlich rückwärts wieder runter.«
    »Na, das ist ja beruhigend.«
    Ich sah zu, wie Dad sich Mom zuwandte, die inzwischen neben ihm stand. Er legte ihr einen Arm um die Taille und gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze.
    »Du hast dein Handy dabei?«, fragte sie. »Und du weißt, wo du hinmusst?«
    Ich hob mein Handy und einen Stapel ausgedruckter Google-Landkarten vom Beifahrersitz. »Außerdem habe ich einen vollen Tank, deine VisaCard, deine MasterCard, den Schlüssel für das Haus und den Merkzettel, wie man das Wasser und den Strom anstellt.«
    »Ruf uns an, wenn du da bist«, bat Mom, als ich den Motor anließ. »Und gern auch während der Fahrt, falls du müde wirst oder das Radioprogramm langweilig ist oder –«
    »Ich melde mich, bevor ich ankomme. Und dann noch einmal, wenn ich im Haus bin.«
    Mom öffnete bereits den Mund, um weitere Anweisungen zu geben, aber dann klappte sie ihn wieder zu und presste sich die Hand vor die Lippen.
    Ihr Hinweis, dass ich noch nie allein weg gewesen war und mit dem Auto keine Strecke über zwanzig Meilen zurückgelegt hatte, machte mich nervös. Ich wusste nicht, wie es sich anfühlen würde, den Highway 95 ohne Mom, Dad und Justine entlangzufahren. Oder an dem »Willkommen in Winter Harbor«-Schild in Form eines Segelboots vorbeizukommen, das am Ortseingang stand … an Eddies Eisdiele gleich dahinter, wo wir sonst immer angehalten hatten, um eine Kugel Marshmallow-Nuss zu essen … und das Haus am See zu erreichen, das nach unserer überstürzten Abreise vor einigen wenigen Tagen nun verschlossen und verrammelt dastand.
    Als ich den Gang einlegte, den Volvo langsam von meinen Eltern fortsteuerte und ihnen in kaum vierzehn Tagen schon die zweite Tochter nahm, wusste ich nur eins ganz genau: Wenn es je einen passenden Zeitpunkt gegeben hatte, mir ein dickeres Fell zuzulegen, dann jetzt.
    Sechs Stunden
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