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Oberst Chabert (German Edition)

Oberst Chabert (German Edition)

Titel: Oberst Chabert (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Existenz des Grafen Chabert beweisen. Ich bin nicht der Mann, mich mit einer schlechten Sache zu befassen, Sie wissen es. Wenn Sie sich der Ungültigkeitserklärung der Todesurkunde widersetzen, verlieren Sie den ersten Prozeß. Ist aber diese Frage zu unsern Gunsten gelöst, werden alle andern im selben Sinne entschieden.«
    »Wovon dann wollen Sie mit mir sprechen?«
    »Weder vom Obersten, noch von Ihnen. Nicht mehr auch von Ausarbeitungen und Aktenfolgen, die ein geistreicher Advokat mit allen den seltsamen Anekdoten dieser Angelegenheit ausschmücken könnte, und wozu auch die Briefe gehören müßten, die Sie von Ihrem ersten Mann erhielten, bevor Sie die Ehe mit dem zweiten eingingen.«
    »Falsch, falsch,« schrie sie mit der ganzen Zornesglut einer eleganten Dame, »ich habe nie Briefe vom Obersten Chabert erhalten. Wenn einer sich für ihn ausgibt, so kann es nur ein Intrigant, ein entsprungener Verbrecher sein. Mich schaudert es schon beim bloßen Gedanken. Kann denn der Oberst von den Toten auferstehen? Bonaparte hat mir durch einen Adjutanten sein Beileid aussprechen lassen, und ich beziehe bis zum heutigen Tage eine Pension von dreitausend Franken, die seiner Witwe von der Kammer zugesprochen ist. Ich habe recht und tausendmal recht, alle Chabert zurückzuweisen,, die sich an mich herangemacht haben und werde alle zurückweisen, die noch kommen sollten.«
    »Zum Glück sind wir allein, gnädige Frau, wir können ungeniert lügen«, sagte er kalt, denn es ergötzte ihn, den Zorn der Gräfin noch heißer anzustacheln, um dann, (jeder Advokat kennt diese Methode, selbst ruhig zu bleiben und den Partner sich in tolle Wut hineinreden zu lassen), ihre wohlgehüteten Geheimnisse zu erreichen. So wollen wir es einmal auf ein Duell ankommen lassen, sagte er sich und dachte sich eine Schlinge aus, die er der Gräfin legen wollte, um ihr ihre Schwäche zu beweisen.
    »Der Empfangsschein des ersten Briefes liegt noch vor, verehrte Gräfin,« sagte er mit lauter Stimme, »und dieser Brief enthielt Wertpapiere ...«
    »O nein, Wertpapiere enthielt er nicht.«
    Lächelnd antwortete der Anwalt: »Sie haben also doch diesen Brief erhalten? Sie haben sich schon in der ersten Schlinge gefangen, die Ihnen ein Anwalt gelegt hat, und dabei glauben Sie noch, mit der Justiz spielen zu können?«
    Die Gräfin errötete und erblaßte, sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. Dann schüttelte sie alle Beschämung ab und sagte mit eiserner Stirn, wie sie Frauen ihrer Art haben: »Nun, da Sie der Anwalt des angeblichen Obersten Chabert sind, machen Sie mir doch die Freude...«
    »Meine Gnädige,« unterbrach sie der Anwalt, »ich bin in diesem Augenblick Ihr Anwalt ebensogut wie der des Obersten Chabert. Glauben Sie, ich wollte gern eine so wertvolle Klientin wie Sie verlieren? Aber Sie hören mich ja nicht an...«
    »Sprechen Sie, bitte«, sagte sie, nicht ohne Anmut. »Ihr Vermögen stammt von dem Obersten, trotzdem haben Sie ihn zurückgestoßen. Ihr Vermögen ist immens, Sie lassen ihn betteln. Meine sehr verehrte Frau, die Anwälte können gut reden, besser aber noch die Tatsachen. Und es trifft sich hier ein Tatbestand, der die öffentliche Meinung sehr gegen Sie einnehmen könnte.«
    »Aber, mein Herr,« sagte die Gräfin, die es nicht mehr ertrug, auf dem glühenden Rost geschmort zu werden, »zugegeben, daß Ihr Oberst Chabert am Leben ist, so werden die Behörden doch meine zweite Ehe aufrecht erhalten, denn es sind Kinder da. Meine ganze Schuld an Herrn Chabert werden dann nur zweihundertfünfzigtausend Franken sein.«
    »Meine Gräfin, es steht noch gar nicht so fest, wie sich die Gerichte in Fragen des Herzens stellen werden. Wohl haben wir auf der einen Seite eine Mutter mit ihren Kindern, aber auf der andern einen Mann, dessen Unglück zum Himmel schreit. Er ist vorzeitig gealtert. Durch Sie. Durch ihr Nein. Wo soll er noch eine Frau finden? Und dann, können die Richter das Recht auf den Kopf stellen? Ihre erste Ehe ist voll und ganz legal, sie hat außerdem die Priorität. Aber noch eins, Sie tragen in dieser Sache solch dunkle, hassenswerte Farben, daß Sie einen Gegner dort finden könnten, wo Sie ihn am wenigsten vermuten. Da ist die Gefahr, vor der ich Sie warnen möchte.«
    »Ein neuer Gegner? Und wer?«
    »Der Herr Graf Ferraud.«
    »Er hat für mich zuviel Liebe und zuviel Achtung für die Mutter seiner Kinder.«
    »Ach, sprechen Sie nicht in die Luft«, unterbrach sie der Anwalt. »Heute hat der Graf durchaus
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