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Oberst Chabert (German Edition)

Oberst Chabert (German Edition)

Titel: Oberst Chabert (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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derselben Art, und als sie nun unsern Alten erblickten, sagte der Preuße und wollte einen Witz machen: ›Sehen Sie einen alten Reitersknecht, der schon die Schlacht bei Roßbach mitgemacht hat.‹ – ›Ich war zu jung, um damals dabei zu sein,‹ antwortet er, ›aber ich bin alt genug gewesen, um bei Jena meine Pflicht zu tun.‹ Da hat der Preuße sich rapid fortgemacht und hat kein Wörtchen mehr verlauten lassen.«
    »Welch ein Geschick!« rief Derville. »Aufgezogen im Hospiz der Findelkinder, wird er im Hospiz der armen Greise sterben, im Altersasyl. In der Zeit, die dazwischen liegt, hat er unter Napoleon Europa und Ägypten erobert.«
    »Wissen Sie, mein Lieber,« begann er nach einer Pause, »daß es in unserer Gesellschaft drei Arten Menschen gibt, die ihren Nebenmenschen nicht achten können. Priester, Ärzte und Männer des Rechts. Sie tragen schwarze Kleider, vielleicht tragen sie Trauer um alles Gute, um allen Glauben. Der Unglücklichste von ihnen ist der Anwalt. Kommt der Mensch zum Priester, dann treibt ihn sein Gewissen, der Glauben. Das macht ihn groß, das tröstet die Seele des Mittlers, dessen Werk ohne Freude unmöglich ist. Er macht die Menschen rein, er hilft und macht Böse gut. Aber wir Anwälte, wir sehen die gleichen schlechten Triebe in immer wiederkehrendem Wirbel. Nichts kann sie bessern, und unsere Bureaus sind Brutstätten des seelischen Unrats, die nichts zu reinigen vermag.
    Was für Dinge habe ich in meinem Berufe gesehen!
    Ich sah einen Vater in einem elenden Loch zugrunde gehen, ohne Geld noch Gut, verlassen von seinen Töchtern, denen er vierzigtausend Franken Rente geschenkt hatte. Ich sah Testamente verbrannt. Ich sah Mütter ihre eigenen Kinder berauben, Gatten Frauen bestehlen, Weiber, die ihre Männer töteten, unter die Erde brachten, indem sie sich der Liebe als Mittel bedienten, sie irrsinnig zu machen oder zur Verblödung zu bringen. Und das alles, um mit dem Herzensfreund in Frieden leben zu können. Ich habe gesehen, wie Frauen den Kindern der ersten Ehe Gewohnheiten böser Art beibrachten, an denen sie sterben sollten, damit die Kinder der Herzensehe reich würden. Ich kann nicht sagen, was alles ich sah, denn es gibt Verbrechen, gegen die jedes Gesetz ohnmächtig ist. Alle Schrecklichkeiten, die ein phantasievoller Dichter erfinden könnte, sind nichts gegen die Wahrheit.
    Sie haben es noch vor sich, Bekanntschaft mit diesen fürchterlichen Dingen zu machen.
    Ich will aufs Land, dort will ich mit meiner Frau leben.
    Paris ist ein Ort des Schreckens.«

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