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Ob das wohl gutgeht...

Ob das wohl gutgeht...

Titel: Ob das wohl gutgeht...
Autoren: Robert Tibber
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Opa Tolley auf sein Bett.
    Die alte Frau nickte beifällig und deckte ihn zu, als sei er ein kleines Kind.
    »Kann ich bei Ihnen mal telefonieren?« fragte ich. »Ich will den Leichenbeschauer anrufen, damit er den Ambulanzwagen schickt.«
    »Bißchen spät, nicht wahr?«
    »Sie bringen ihn in die Leichenhalle«, erklärte ich ihr, »wenn ich jetzt telefonieren könnte, ich bin in sehr großer Eile.«
    Von Mrs. Riggs aus rief ich auch Lulu an, um ihr zu berichten, was geschehen war, und sie zu bitten, die Patienten bei Laune zu halten. Dann machte ich mich auf den Weg quer durch London zu Faraday.
    Der Verkehr war phänomenal. Hätte ich Blinklicht oder eine Sirene gehabt, wäre ich auch nicht schneller vorwärtsgekommen. London um die Mittagszeit zu durchqueren, heißt die Geduld eines Fahrers auf eine harte Probe zu stellen. Ganz zu schweigen von meiner in diesem Augenblick.
    Vierzig Minuten später stieß ich die angelehnte Tür des Hauses in Chelsea auf.
    Es herrschte Totenstille, und der Anblick von Hank, der auf der Treppe saß, als sei er aus Stein gemeißelt, ging mir durch und durch.
    »Ich versuchte früher zu kommen«, sagte ich zu Caroline im Schlafzimmer. »Ich habe es wirklich versucht.«
    Sie lehnte den Kopf an meine Schulter. »Bläschen hätte es nicht mehr wahrgenommen. Er war im Koma. Dr. Nicholls ist gerade weggegangen.« An diesem Vormittag begegnete ich dem Tod zum zweiten Mal, und zum letzten Mal sah ich Faraday, der nur noch ein Schatten seiner selbst war. Ich wollte nicht glauben, daß er nun nie mehr seine Witzchen reißen, daß wir keine treffenden Bemerkungen mehr von ihm hören würden, daß mein Freund nicht mehr lebte... Ich hatte von Patienten gehört, was sie empfanden, wenn ihre Freunde starben. Zum ersten Mal verstand ich das wirklich.
    »Ich hätte früher hiersein müssen.«
    »Es war nicht mehr nötig, ich sagte es dir doch.«
    »Er war mein Freund.«
    »Er war mein Mann. Er ist mit Haltung gestorben.«
    »Er besaß in allem Haltung. Jene Klischees von >Leuten, die eine Lücke im Leben ihrer Mitmenschen^ . .«
    »Es sind keine Phrasen, Lieber«, sagte Caroline und klammerte sich an mich. »Das ist kein Klischee, jetzt nicht mehr...«
    Unten war ein Geräusch zu hören.
    »Das ist meine Nachbarin«, sagte Caroline matt. »Sie geht nur mal hinüber, um nach ihren Kindern zu sehen. Du brauchst wirklich nicht hierzubleiben...«
    Ich dachte an die Patienten, die auf mich warteten. »Ich komme später wieder, Caroline...«
    Sie legte eine Hand über meinen Mund. »Bitte. Ich weiß, wie du zu Bläschen standest. Es ist nicht nötig, daß du irgend etwas sagst.«
    Erschöpft und kraftlos und mit dem Gefühl, einen Teil von mir selbst verloren zu haben, wäre ich am liebsten nach Hause gefahren. Ich machte mich jedoch auf den Weg zur Praxis. Das purpurne Taxi stand draußen; ich vermutete, daß Fred aus dem Gericht zurückgekehrt war.
    Das Wartezimmmer war leer. Ich ging durch das Haus. Ein schicker junger Mann im Nadelstreifenanzug, mit einer Rose im
    Knopfloch, ging durch die Diele. Daran gewöhnt, hier Fremde herumlaufen zu sehen, fragte ich ihn:
    »Haben Sie Fred zufällig gesehen?«
    »In meinem Spiegel heute früh, Mann.«
    Ich schluckte vor Schreck. »Fred!«
    »Wer sonst, Mann?«
    Dies war einigermaßen unheimlich. An dem Herrn mit kurzem Haar und der gepflegten Kleidung wäre ich auf der Straße vorbeigegangen. Es war für einen Tag einfach zu viel. Ich wollte schon nach dem Grund dieser Wandlung fragen, als mir seine Gerichtssache wieder einfiel und mir plötzlich alles klar schien:
    »Sie müssen wohl ins Gefängnis?«
    »Aber warum denn, Mann?«
    »Nun, wegen dieser Rauschgiftsache. Man hat Sie wohl für schuldig befunden?«
    »Mann«, sagte er und sah mich ungnädig an, solche Gedanken gehegt zu haben. »In der Schnitzerei war doch nur alter Pfeifentabak. Muß schon drin gewesen sein, als ich sie gekauft habe.«
    Ich schluckte und entschuldigte mich, weil ich so schlimme Dinge mit ihm in Verbindung gebracht hatte.
    »Die Klage wurde abgewiesen«, sagte er.
    Ich betrachtete seinen Nadelstreifenanzug, in welchem er außergewöhnlich gut aussah.
    »Ich verstehe das alles nicht«, sagte ich. »Ich habe einen entsetzlichen Vormittag hinter mir und glaube nicht, daß ich noch mehr auf mich nehmen kann. Ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir erklären würden...« Ich deutete auf sein Äußeres.
    »Erleuchtung, Mann. Ich gehe.«
    »Sie gehen?«
    »Sobald Sie mich nicht mehr
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