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Ob das wohl gutgeht...

Ob das wohl gutgeht...

Titel: Ob das wohl gutgeht...
Autoren: Robert Tibber
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Maureens Wehen verliefen regelmäßig. Ich dachte an Faraday und Opa Tolley und fragte mich, was wohl Mrs. Grimshaw passiert sein mochte; die Telefonzelle war doch direkt an der Ecke. Wenn sie sich nicht beeilte, konnte es noch geschehen, daß ich selbst Maureen entbinden mußte, was in dieser Situation höchst unglücklich gewesen wäre.
    »Ich wünschte, Frank wäre hier«, sagte Maureen. »Warum muß das Baby nur so früh kommen? Er wird schon nächsten Monat wegen guter Führung entlassen. Mein Vater leider nicht, wegen seiner Vorstrafen.«
    Fast eine halbe Stunde war verstrichen, als Mrs. Grimshaw zurückkam; sie war atemlos und außer sich.
    »Verdammte Vandalen«, sagte sie. »Nicht eine von diesen verflixten Telefonzellen ist in Ordnung! Man sollte diese Kerle alle einsperren!«
    Bei einer anderen Gelegenheit hätte ich darüber gelächelt. Jetzt aber wartete ich voller Ungeduld auf den Ambulanzwagen mit Sauerstoff-Flasche und Frühgeburtsausstattung und mit dem ausgebildeten Geburtshilfepersonal.
    Als ich schließlich, Maureen in guten Händen wissend, bei Opa Tolley eintraf, war er in einer sehr schlechten Verfassung. Sein Alter war nicht genau bekannt, aber ich vermute, daß er tatsächlich um die Fünfundneunzig war, wessen er sich auch rühmte. Seine Nachbarin, Mrs. Riggs, war ebenfalls ziemlich alt.
    »Er hat heute früh an die Wand geklopft«, sagte sie, »weil er keine Luft bekam.«
    Der zerbrechliche und nach Luft ringende alte Mann saß hochaufgerichtet im Bett.
    »Tut mir leid... daß ich Sie... Doktor... herholen mußte... schreckliche... Schmerzen...« Er deutete auf seine Brust, »...wäre sonst... in die... Sprechstunde... gekommen... «
    Er wäre zweifellos gekommen, wenn er sich wohler gefühlt hätte, denn er besaß mehr Energie als viele, die halb so alt wie er waren. Außerdem flirtete er gern mit Lulu.
    »Hab’... Mrs. Riggs... gesagt...«
    Ich erfuhr nicht mehr, was er Mrs. Riggs gesagt hatte, denn in diesem Moment verlor er das Bewußtsein. Er fiel mit blauem Gesicht in die Kissen zurück.
    »Schnell, helfen Sie mir, ihn auf den Boden zu legen, Mrs. Riggs!«
    »Auf den Boden, Doktor?« Mrs. Riggs sagte es, ohne sich vom Platz zu rühren.
    »Ich muß sein Herz massieren.«
    »Wäre es nicht besser, wenn er bleibt, wo er ist? Er ist fünfundneunzig, wissen Sie, und unter der Tür zieht es entsetzlich durch...«
    Wir hatten keine Zeit zu verlieren. Ich brachte es fertig, ihn auf den Boden zu legen. Trotz seines Alters hatte er noch beträchtliches Gewicht, und ich mußte einen Moment innehalten, ehe ich mit der Herzmassage beginnen konnte.
    »Glauben Sie wirklich, daß das gut für ihn ist?« fragte Mrs. Riggs und beobachtete kritisch, wie ich sein Brustbein preßte.
    Nach einer Zeit, die mir wie eine Stunde vorkam, die aber sicher nicht länger als drei Minuten war, wurde seine Gesichtsfarbe noch blauer, sein Puls stand still. Mrs. Riggs’ Miene sagte deutlich: Ich hab’s ja gewußt!
    »Geben Sie mir meine Tasche!« herrschte ich sie an.
    Verängstigt durch meinen barschen Ton, befolgte Mrs. Riggs den Befehl. Glücklicherweise hatte ich die kleine Luftröhre bei mir. Ich führte sie in seinen Mund ein und blies sanft in die versagenden Lungen Luft. Seine Gesichtsfarbe wurde etwas besser, und auch der Puls kam, wenn auch sehr schwach, wieder. Ich zog meinen Mantel aus und setzte die Massage fort. Mrs. Riggs redete die ganze Zeit über, aber ich hatte keinen Atem für eine Antwort übrig. Obgleich Opa Tolley ein sehr alter Mann war, wollte ich ihn nicht dem Tod überlassen. Weitere endlose Minuten vergingen, und ich wurde immer erschöpfter. Ich fühlte nochmals seinen Puls, konnte ihn aber nicht mehr finden. Wenn es mir nicht möglich war, ihn jetzt sofort zurückzuholen, mußte ich es aufgeben, da sonst das Gehirn unwiderruflich Schaden nehmen würde. Ich begann nochmals mit äußerster Konzentration. Vielleicht war es der Ausdruck auf meinem Gesicht, der Mrs. Riggs zum Schweigen brachte. Ich fuhr mit der Massage fort, dazwischen immer wieder nach einem Lebenszeichen forschend. Nach einer Weile erhob ich mich.
    »Es ist aus«, sagte Mrs. Riggs überflüssigerweise.
    Ich nickte. Er würde nie wieder mit Lulu flirten können.
    »Sie werden ihn doch nicht hier liegen lassen, wie?« sagte sie so ungerührt, wie es nur die sehr Alten fertigzubringen scheinen.
    Ich zog meinen Mantel aus, steckte das Stethoskop und die Luftröhre in die Tasche und klappte sie zu. Mit der letzten Kraft hob ich
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