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Nur Mut, liebe Ruth

Nur Mut, liebe Ruth

Titel: Nur Mut, liebe Ruth
Autoren: Marie Louise Fischer
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hier aus bestimmt nicht.“
    Katrin ließ sie los und starrte
sie aus weit aufgerissenen schwarzen Augen an. „Sag mal, stellst du dich so
blöd oder bist du’s wirklich? Das mit dem Spucken ist doch nur symbolisch
gemeint.“
    „Aha“, sagte Ruth, die zwar
nicht recht wußte, was darauf zu sagen war, sich aber nicht auf längere Auseinandersetzungen
einlassen wollte, weil ihr die eigenen Sorgen mehr am Herzen lagen. „Du,
Katrin, ich muß dir auch etwas sagen“, platzte sie heraus, „ich habe etwas
Furchtbares erlebt!“
    Katrin schloß das Fensterchen,
drehte sich zu ihr um und betrachtete sie prüfend von oben bis unten. „Das
glaube ich dir sogar. Du sahst eben wirklich so aus, als wenn du unter die
Räuber gefallen wärst.“
    Ruth stampfte mit dem Fuß auf.
„Kannst du denn nicht mal fünf Minuten ernst sein?“
    „Bin ich doch“, erwiderte
Katrin ungerührt, „das mit den Räubern war ja auch nur symbolisch gemeint.“
    „Symbolisch heißt also, wenn
man was anderes sagt, als man denkt?“ fragte Ruth mißtrauisch.
    Katrin krauste die Stirn. „Nee,
symbolisch ist, wenn man etwas bildlich ausdrückt. Wenn man ein Kreuzzeichen
macht, so bedeutet das, daß man jemand segnen will... und wenn man auf jemand
spuckt, daß man ihn verachtet...“
    „...und wenn ein Hund jemanden
anbellt, bedeutet das, daß er den Jemand am liebsten zerreißen möchte!“
ergänzte Ruth.
    „Nicht unbedingt“, sagte
Katrin, „Hunde bellen aus ganz verschiedenen Gründen, zum Beispiel auch aus
Freude.“
    „Na, dann hättest du den
Riesenköter mal blaffen hören sollen! Von Freude konnte da bestimmt keine Rede
sein.“
    „Sag mal, von was für einem
Köter sprichst du denn?“
    „Eben von dem ich dir schon die
ganze Zeit erzählen will.“
    Jetzt endlich war Katrin
interessiert. „Na, dann schieß los und mach es nicht so spannend!“
    Sie legte ihren Arm um Ruths
Schulter und führte sie in ihr eigenes kleines Reich, das kaum größer als das
Bad war, eher eine Kammer als ein Zimmer, aber ihr dafür ganz allein gehörte.
Das Bett war tagsüber mit einer bunten Decke und vielen Kissen in eine Couch
verwandelt worden; ein breites Klappbrett unter dem Fenster, das eine
wunderbare Aussicht über die halbe Stadt bot, diente als Arbeitstisch, und an
die Decke war ein sehr dekoratives Zebrafell genagelt, ein Erbstück von Katrins
früh verstorbenem Vater.
    Die beiden Mädchen machten es
sich auf der Couch bequem, und Ruth berichtete in allen Einzelheiten, was
geschehen war.
    Katrin hatte Mühe, ernst zu
bleiben. „Eigentlich“, sagte sie endlich, „ist dir doch gar nichts weiter
passiert, als daß du einen gewaltigen Schreck bekommen hast!“
    „Na und!?“ rief Ruth ganz
empört. „Ist das nicht schlimm genug?“
    Jetzt mußte Katrin doch lachen.
„Sei mir nicht böse“, sagte sie, „aber das ist wirklich zu komisch!“
    „Es ist ja nicht nur das“,
sagte Ruth, „na schön, ich gebe zu, der Hund hat mich nicht gebissen, und es
ist mir auch nichts geschehen, als daß ich hingefallen bin... aber wie soll ich
jetzt vor meine Eltern treten? Ohne Blumen, nachdem ich den Auftrag freiwillig
übernommen hatte?“
    „Ach“, sagte Katrin leichthin,
„deine Eltern, die kennen dich doch, sie werden das schon verstehen.“
    „Ja“, rief Ruth, und ihre
grasgrünen Augen blitzten plötzlich höchst temperamentvoll, „sie haben sich
damit abgefunden, daß ich ein Feigling bin! Aber begreifst du denn nicht,
Katrin? Ich wollte mich doch ändern!“
    „Ach so, ja, natürlich“, sagte
Katrin und rieb sich mit dem Zeigefinger über den Nasenrücken, „aber vielleicht
fängst du besser mit einer harmloseren Mutprobe an?“
    „An einem eingesperrten Hund
vorübergehen... ist das nach deiner Meinung nicht harmlos?“
    „Kommt drauf an.“
    „Ehrlich, Katrin, was hättest
du an meiner Stelle getan?“
    Katrin dachte lange nach. „Das
kann ich dir so aus dem Handgelenk nicht beantworten“, sagte sie, „erst müßte
ich mir das Ungeheuer selber einmal ansehen.“
    „Dann tu’s doch, Katrin! Bitte,
komm mit!“
    Katrin zögerte, aber dann wurde
ihr bewußt, daß die Kleine zu ihr gekommen war, weil sie wirklich ihre Hilfe
brauchte. „Na klar“, sagte sie und sprang auf, „ich werde nur eben meiner Oma
Bescheid sagen!“
    Wenige Minuten später fuhren
die beiden Mädchen mit dem Lift in die Eingangshalle hinunter und verließen das
Hochhaus, sie waren ein sehr ungleiches Paar, Katrin groß und mager, in
abgewetzten
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