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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher
Autoren: Wim Westfield
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umschlungen gehen sie dreimal um die Reste des steinernen Altars und dann zurück durch den Park von Eldena zu ihren Autos.
    »Bist du im richtigen Leben verheiratet?«, fragt Julia.
    »Du?«, fragt Jonas zurück.
    Julia hält plötzlich inne und deutet mit dem Kopf nach vorn. »Mein Gott, was haben die vor?« Im fahlen Licht einer schiefen Straßenlaterne stehen ihr roter Golf und dahinter Jonas' alter Lada-Kombi. Davor und dahinter parken je ein weiß-grüner Wartburg der Volkspolizei und ein Stück entfernt ein ziviler, ockerfarbener Wartburg. Vier uniformierte Polizisten und zwei Männer in Zivil protokollieren und fotografieren.
    »Ich glaube, deine Genossen inszenieren gerade einen Agentenfilm.«
    »Das sind nicht meine Genossen. Ich ahne nichts Gutes ... Was machen wir, wenn die uns nicht zusammen von hier weg lassen?«
    »Hast du Angst? Was können die schon wollen? Wir sind freie Bürger eines freien Landes.«
    »Du ja. Ich nicht.«
    »Sollte irgendwas passieren, dann wimmelst du sie ab und kommst später zu mir ins Hotel.«
    »Wie heißt dein Hotel?«
    »Interhotel Boddenhus in Greifswald.«
    »Ich finde dich, mein Engel.«
    »Ich warte auf dich, mein Prinz.«
    Sie lassen einander los und spazieren betont langsam auf ihre Autos zu.
    »Guten Abend, Deutsche Volkspolizei. Sind das Ihre Fahrzeuge?«
    »Der rote Golf gehört mir«, antwortet Julia.
    »Würden Sie uns bitte Ihren Reisepass, Ihre Einreisegenehmigung und die Fahrzeugpapiere zeigen?«
    Zwei Volkspolizisten gehen mit Julia zu ihrem Wagen. Derweil drängen zwei andere Vopos und zwei Männer in Zivil Jonas zur Seite.
    »Gehört der Lada Ihnen?«
    »Ja.«
    »Personalausweis! Fahrzeugschlüssel! Und keine Mätzchen!«
    »Was wollen Sie mit meinen Autoschlüsseln?«
    »Ich sagte, keine Mätzchen! Fragen stellen wir, verstanden!«
    Jonas registriert noch aus den Augenwinkeln, wie die Polizisten Julia die Papiere zurückgeben, sich betont höflich verabschieden und sie auffordern, loszufahren. Sie wirft einen kurzen Blick zu ihm hinüber, setzt sich in ihren Golf, schlägt die Tür zu und fährt weg.
    Kaum ist der Golf verschwunden, reißt einer der Zivilen Jonas den Autoschlüssel aus der Hand und wirft ihn einem Polizisten zu. Blitzartig packen zwei Männer Jonas an beiden Armen und drängen ihn in den ockerfarbenen Wartburg, in dem ein Fahrer sitzt. Jonas sieht noch, dass einer der Polizisten seinen Lada aufschließt und sich ans Steuer setzt.
    Die beiden Männer zwängen sich zu Jonas auf die Rückbank des Autos, legen ihm Handschellen an und setzen ihm eine dunkle Schweißerbrille auf. Sekunden später fährt der Wagen los, so schnell und so scharf in den Kurven, dass Jonas bald nicht mehr weiß, in welche Richtung die Reise geht. Nach vielleicht einer halben Stunde fährt das Auto in eine Halle. Jonas hört, wie sich hinter ihnen blecherne Tore schließen.
    »Aussteigen!«
    Sie ziehen Jonas aus dem Auto und nehmen ihm die Schweißerbrille ab. Er befindet sich in einer Garage. Er dreht sich um und sieht, dass der Fahrer des Wartburg dabei ist, das vordere Nummernschild zu wechseln. Als er bemerkt, dass Jonas zu ihm herüber sieht, dreht er schnell beide Nummernschilder um und legt sie auf den Beton.
    »Weitergehen!«
    Die Männer in Zivil packen Jonas an den Armen und geleiten ihn über Treppen aus der Garage in ein Gebäude. Türen werden vor ihm auf- und hinter ihm abgeschlossen. Ein Gang, dann eine schwere Eisentür, die geöffnet wird. Die Männer öffnen die Handschellen. Ehe Jonas etwas sagen oder fragen kann, ist er in einer schmalen, hohen Zelle eingeschlossen. Sie ist ungefähr vier Schritt lang und knapp zwei Schritt breit. Von der etwa vier Meter hohen Decke leuchtet spärlich eine nackte Glühbirne. Das einzige Fenster, an der Stirnseite gegenüber der Zellentür, liegt unerreichbar in etwa drei Metern Höhe. Es ist kleiner als ein übliches Kellerfenster, von innen mit dicken Gitterstäben versehen und von außen nachträglich zugemauert; eine eiserne Klappe in der Größe eines Ziegelsteins ist die einzige Öffnung nach draußen. Diese Klappe, die Luft zum Atmen in das Verlies lässt, ist angekippt. Die eiserne Zugstange, mit der man sie auf und zu machen kann, wird an der Decke der Zelle entlang, unerreichbar hoch, über der Zellentür nach außen geführt. Selbst dieser kleine
    Luftschacht zur Freiheit darf nur von den Wächtern geöffnet werden.
    In der Zelle gibt es nichts außer einem schmalen Brett, das wie eine Sitzbank in die
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