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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition)
Autoren: Christos Tsiolkas
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harmlos waren, lag in seinen Fragen und Kommentaren immer eine unterschwellige Nervosität. Gary traute niemandem, so viel war klar.
    Sandi war verstummt. Als Hector ihr die Hand auf die Schulter legte, hob sie plötzlich den Kopf. Aber es war Rhys, den sie ansah, Gary ignorierte sie.
    »Ich fand dich letztes Jahr sehr gut, als sie dich eingesperrt haben, weil sie dachten, du hättest Sioban getötet.« Ein leichtes Flirten lag jetzt in ihrem Lächeln. »Ich war mir die ganze Zeit nicht sicher, ob du es nicht wirklich warst.«
    Du heilige Scheiße! Sah sie sich das tatsächlich an?
    Gary nickte aufmerksam. Dann wandte er sich dem Schauspieler zu und musterte ihn von oben bis unten – das legere, aber teure Baumwoll-Cowboyhemd, die schwarzen Jeans, die Gürtelschnalle mit der Konföderiertenflagge.
    »Du hast also einen Mann in Vermont erschossen, ja? Nur um ihn sterben zu sehen.«
    Hector konnte nicht anders, er musste laut lachen. Er war sich ziemlich sicher, dass auch Anouk zumindest ein empörtes, wenngleich hinterhältiges Grinsen unterdrückte. Gary war ein Arsch, aber ein cleverer Arsch. Hector hatte höchstens mal irgendwo einen Fetzen von der Serie aufgeschnappt, aber es hatte gereicht, um zu wissen, dass Rhys nie ein großer Schauspieler sein würde. Er war ein zweitklassiger Joaquin Phoenix, der Johnny Cash spielte. Seine Zukunft waren Lifestyle-Shows, in denen Reisen oder Eigenheimrenovierungen verhökert wurden. Vermont war perfekt, Vermont traf den Nagel auf den Kopf. Rhys roch förmlich nach Privatschule, nach nahrhaftem Frühstück und der Langeweile einer wohlbehüteten Kindheit in den östlichen Vororten der Stadt.
    Wenigstens hatte er so viel Anstand, rot zu werden.
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Das ist eine Zeile aus einem Johnny-Cash-Song«, erklärte Hector Sandi.
    »Verstehe ich immer noch nicht.«
    Gary zeigte mit der Bierflasche auf Rhys. »Ich wollte nur meinen Respekt vor dem leidenden Künstler zum Ausdruck bringen.«
    Lag es am Speed? Hector hatte das Gefühl, dass Anouk sich jeden Moment auf Gary stürzen konnte. Schnell und gefährlich wie ein Hai.
    »Auch Gary ist ein leidender Künstler. Extrem sogar.«
    »Ich bin ein einfacher Arbeiter, Anouk«, knurrte Gary. »Das weißt du.«
    »Ja, hauptberuflich.« Anouk klang unschuldig und vernichtend zugleich. »Gary reicht es nicht, das Salz der Erde zu sein. In Wirklichkeit ist er Maler, ein visueller Künstler.« Sie war wie Kleopatra und die Schlange in einem, ruhig und gelassen, doch ihre Worte saßen wie ein giftiger Biss. Als Rosie ihnen damals Gary vorgestellt hatte, hatte er behauptet, Maler zu sein. Hector bezweifelte, dass Gary in den letzten Jahren eine Leinwand angefasst hatte – und das war auch gut so. Er war grottenschlecht.
    Anouks Worte hatten ihr Ziel nicht verfehlt. Gary sah aus, als würde er gleich explodieren. Hector betrachtete das Ganze wie aus weiter Ferne. Er wartete darauf, dass die Spannung unerträglich wurde und Gary sich schließlich nicht mehr beherrschen konnte. Ohne einen kleinen verbalen Schlagabtausch zwischen den beiden wäre es keine richtige Party gewesen. Sein Vater kümmerte sich um das Fleisch und die Würstchen und beachtete die anderen nicht weiter. Ich bin wie mein Vater, dachte Hector, ich halte mich lieber raus. Ich will einfach nichts damit zu tun haben.
    Aus dem Haus erklang hysterisches Geheul. Anouk wandte sich mit einem eiskalten Lächeln von Gary ab. »Ich nehme an, das ist wieder dein Kind.«
     
    Hugo hatte sich die Steuerung für das Computerspiel geschnappt und gegen den Couchtisch geschmettert. Das schwarze Plastikgehäuse war gesprungen, und durch die Tischplatte zog sich ein milchiger Riss. Erstaunlicherweise weinte Adam nicht und war auch nicht aufgebracht. Er schien einfach nur völlig verblüfft, als wollte er seinen Augen nicht trauen. Rosie hielt Hugo im Arm, der sein Gesicht an ihre Brust drückte, als wollte er sich vor dem Rest der Welt verstecken. Rocco starrte auf Rosie und Hugo, auch er konnte es nicht fassen, aber sein jähzorniges Temperament – das er von Harry geerbt hatte – war kurz davor, mit ihm durchzugehen. Die anderen Jungs bekamen es mit der Angst zu tun und sahen zu Boden. Die Mädchen waren aus Melissas Zimmer gekommen und standen stumm in der Tür, und Sonja, die nicht verstand, was los war, weinte leise. Hector hatte sich hinter Aisha und Elizabeth gestellt.
    Seine Mutter, die in der einen Hand ein Messer hielt und in der anderen einen Souvlaki-Spieß,
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