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Nur ein kleiner Sommerflirt

Nur ein kleiner Sommerflirt

Titel: Nur ein kleiner Sommerflirt
Autoren: Simone Elkeles
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nicht, und ich würde die Unterbuxen meiner Großmutter darauf verwetten, dass Ron ein Kernespucker ist.
    »Was isst du denn am liebsten?«, fragt er.
    »Sushi.«
    Er verzieht das Gesicht. »Du meinst rohen Fisch?«
    »Japp.«
    Früher habe ich Sushi gehasst. Als Mom mich zum ersten Mal probieren ließ, musste ich würgen und habe es wieder ausgespuckt (in meine Serviette, versteht sich, und sehr diskret – im Gegensatz zu den widerwärtigen Kernespuckern). Mom fährt total auf Sushi ab. Ich glaube, das ist wie bei Alkohol. Beim ersten Mal muss man fast kotzen, aber dann gewöhnt man sich daran und lernt es schätzen. Daher kommt wahrscheinlich auch das Sprichwort, dass Hass und Liebe eng beieinanderliegen. Jetzt mag ich Sushi nicht nur, ich bin völlig verrückt danach. Offenbar muss Ron noch von einem passionierten Sushi-Fan wie mir an die Materie herangeführt werden.
    Wir fahren jetzt auf einer extrem kurvigen Straße durch die Berge und mir wird übel. Das letzte Zeichen von Zivilisation habe ich ungefähr vor einer Viertelstunde gesehen.
    Wir kurven einen Abhang hinunter und halten an ei-ner Abzweigung. Auf einem Schild steht auf Englisch MOSHAV MENORA, daneben ein paar Wörter auf Hebräisch.
    Ron nimmt die Straße zum Moschaw Menora . Hier sieht es aus, wie ich mir die Schweiz vorstelle – grasgrüne Hügel, so weit das Auge reicht.
    An einem Aussichtspunkt rechts der Straße hält er an.
    »Hier ist es?«, frage ich.
    Er dreht sich zu mir und zieht den Schlüssel aus dem Zündschloss. »Das sind die Golanhöhen, ein ganz besonderer und schöner Ort. Komm, die Aussicht ist überwältigend.«
    »Ach nö«, seufze ich. »Ich muss mal.«
    »Hältst du es noch ein paar Minuten aus? Ich muss dringend mit dir sprechen, ehe du meine Familie kennenlernst.«
    Das klingt schon interessanter. Ich öffne die Autotür und steige aus. Schweigend laufen wir zum Rand des Aussichtsplatzes. Was ich sehe, erinnert mich an ein Postkartenmotiv.
    »Sie wissen nichts von dir«, platzt Ron heraus.
    Was?
    »Wer weiß nichts von mir?«
    »Meine Mutter, mein Bruder und seine Frau …«
    Ein seltsamer Schmerz durchzuckt mich, als hätte mir jemand einen Stich versetzt. Mein Herz beginnt zu rasen und ich atme schwer. »Warum?«, flüstere ich, kaum in der Lage, die Worte herauszubekommen.
    Er weicht meinem Blick aus. »Das ist kompliziert. Also … als ich nach Amerika gegangen bin, wollte ich allen hier zu Hause beweisen, dass ich es schaffe. Du weißt schon, der amerikanische Traum.«
    »Aber du hast nicht mit mir gerechnet und damit, dass ich dir deinen Traum zerstören würde«, sage ich.
    »Ich habe deine Mom gleich an meinem allerersten Wochenende in den Staaten kennengelernt. Ich war ein großspuriger Israeli, der einfach nur seinen Spaß haben wollte. Ein paar Monate später habe ich herausgefunden, dass ich Vater werde.«
    Ich rücke ein Stück von ihm ab. Was will er von mir? Soll ich mich jetzt dafür entschuldigen, dass es mich gibt?
    »Ich hasse dich«, sage ich, wende mich ab und laufe zurück zum Auto. Hastig wische ich die dummen Tränen weg, die einfach über meine Wangen laufen, obwohl ich ihnen das nicht erlaubt habe.
    »Amy, bitte. Lass mich dir doch erklären –«
    »Mach die Tür auf.« Ich höre das Klicken und steige ein. Er sieht mich an, als wolle er noch etwas sagen, aber ich will es nicht hören. »Fahr endlich!«, schreie ich.
    Er steigt ebenfalls ein und wir fahren weiter den Berg hinauf. Ich hatte gedacht, ich wäre halbwegs darauf vorbereitet, Rons Familie kennenzulernen, aber jetzt möchte ich mich einfach nur im nächsten Loch verkriechen.
    Weil es nicht nur darum geht, ihnen seine uneheliche Tochter vorzustellen. Sondern weil er erst mal überhaupt von der Existenz dieser Tochter berichten muss.

5
    Wenn ich die Augen schließe, hört das Leben dann auf, mich so wild durcheinanderzuwirbeln?
    Wir halten an einem Tor. Ein Typ mit einem großen Maschinengewehr kommt auf unser Auto zu. Vor dem heutigen Tag habe ich noch nie ein Maschinengewehr zu Gesicht bekommen, und ich zucke jedes Mal zusammen, wenn ich daran denke, wofür man die Dinger braucht.
    Ron sagt etwas auf Hebräisch. Der Typ lächelt und macht ein Zeichen, woraufhin das Tor aufgeht. Über eine Schotterpiste fahren wir den Hang hinauf und passieren sechs Häuserreihen. Circa sieben bis zehn Häuser stehen zu beiden Seiten jeder Stichstraße. Ron biegt in eine davon ein und hält vor einem Haus.
    »Ich gehe da nicht rein, ehe du ihnen nicht
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