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Nur ein Blick von dir

Nur ein Blick von dir

Titel: Nur ein Blick von dir
Autoren: S. C. Ransom
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hereinzulegen, dass ich mich in meiner Verzweiflung selbst geopfert hätte. Sie hatte mir meine sämtlichen Erinnerungen abgesaugt und mich dem Tod überlassen. Ich war nur deshalb heute noch am Leben, weil sich Callum darauf vorbereitet hatte, mich unter Einsatz seines Lebens zu retten. Er hatte sein eigenes Amulett mit gestohlenem Glück geleert, um eine Kopie all meiner Erinnerungen einzufangen, als Catherine sie aus mir herausspulte. Und als Catherine schließlich in einer Funkenexplosion ihrem Leben in dieser Vorhölle entkam und starb, gab er mir die Erinnerungen zurück und hatte selbst nichts mehr. Jedes Mal, wenn ich daran dachte, stockte mir vor Liebe und Dankbarkeit der Atem. Zumindest wenn er in meiner Nähe war, schien er die meiste Zeit in der Lage zu sein, das verzweifelte Elend zu ertragen, das er ohne einen guten Vorrat an positiven Gefühlen empfinden musste, die so notwendig für ihn waren. Er erzählte mir auch nicht, worauf er zurückgriff, um sein Amulett wieder aufzufüllen. Und ich wollte nicht fragen. Doch was er auch machte, er liebte mich so, wie er das seit unserer ersten Begegnung getan hatte.
     
    Als wir nach Hause kamen, war niemand sonst da, und so musste ich auch nicht Mum stundenlang alles von der polizeilichen Verwarnung erzählen. So schnell ich konnte, rannte ich nach oben, um zu sehen, ob er schon da war. Durch das vernagelte Fenster war es in meinem Zimmer ziemlich düster, doch als ich mich auf meinen Schreibtischstuhl setzte, kehrte das Prickeln in meinen Arm zurück, und mich überkam eine ruhige Zufriedenheit. Callums Gesicht war im Spiegel wunderbar deutlich zu sehen, und seine blauen Augen funkelten amüsiert.
    »Ich mag es, was du hier gemacht hast«, bemerkte er und besichtigte das Gemetzel in meinem Zimmer.
    »Na, du weißt doch, dass Fenster total von gestern sind.« Ich brachte es nicht über mich, ihm von meinem schrecklichen Morgen zu erzählen. Ich hasste es, ihm noch irgendetwas zusätzlich zu seinem Elend aufzubürden. Das konnte warten, bis wir mehr Zeit hatten.
    »Ich kann es nicht fassen, wie du dagesessen und die Polizistin so überzeugend angelogen hast. Das ist ganz offensichtlich ein verborgenes Talent von dir.«
    Ich versuchte, beschämt auszusehen, was mir aber ganz und gar nicht gelang. Ich war so glücklich, ihn wiederzusehen. »Das hat alles gestimmt«, widersprach ich. »Ich musste da hin, um Grace zu retten, und ich wusste wirklich nicht warum, weil ich keine klare Vorstellung von dem hatte, was Catherine tun würde. Also, ich hätte natürlich ein bisschen mehr ins Detail gehen können, aber sie hätte mir doch sowieso nicht geglaubt.«
    »Nein, und es ist sicher auch nicht das, was sie jeden Tag zu hören bekommt.«
    »Und jetzt, wo Catherine tot und verschwunden ist, haben wir auch niemanden, dem wir die Schuld geben können.« Ich wartete etwas und überlegte, ob es jetzt der richtige Zeitpunkt wäre, eine Frage zu stellen, die mich schon eine ganze Weile beschäftigt hatte. »Hat sie wirklich das Leben da drüben so sehr gehasst?«
    Jetzt war es Callum, der eine Pause machte. »Sie war immer schwer deprimiert, und ich vermute, dass sie zu Lebzeiten genauso böse war. Dazu kommt noch, dass die Existenz dort drüben, das weißt du ja, absolut trostlos ist. Ich denke, sie war verzweifelt.«
    »Wenn ihr die Möglichkeit hättet, würdet ihr dann alle den Tod wählen?«
    »Oh ja.« Er lächelte kläglich. »Mit einer gewichtigen Ausnahme gibt es keinen von uns, der nicht die Chance ergreifen würde, Erlösung zu finden.«
    »Ich kann es nicht fassen, dass ihr so leben müsst. Das ist alles so … so ungerecht.«
    Callum seufzte. »Ich wünsche mir immer noch, dass ich dir alles von Anfang an erzählt hätte …«
    »Ich weiß, ich weiß es doch. Dann wäre nichts von alldem jemals passiert. Ich glaube, das hast du schon einmal erwähnt«, zog ich ihn auf, um die Stimmung etwas aufzuheitern. »Aber jetzt haben wir unsere regelmäßigen Ausflüge nach
St. Paul’s
, und es wäre ohne Catherine nie dazu gekommen.«
    Als mir Callum das Leben gerettet hatte, hatte er mir auch überraschenderweise die Fähigkeit vermittelt, ihn als richtigen Menschen aus Fleisch und Blut zu sehen – und sogar zu berühren. Doch nur ganz oben auf der Kuppel der
St. Paul’s Cathedral
. Vor dem Vorfall hatte mir das Amulett nur erlaubt, ihn genau unter dem Mittelpunkt der berühmten Kuppel von Angesicht zu Angesicht zu sehen, und auch da war ich nicht in der Lage
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