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Nur ein Blick von dir

Nur ein Blick von dir

Titel: Nur ein Blick von dir
Autoren: S. C. Ransom
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gewesen, ihn zu berühren. Nach meiner Meinung war es eine Nahtoderfahrung wert, jetzt sein Gesicht streicheln, seine Hand halten und seine festen Lippen küssen zu können … Meine Gedanken trieben in gefährliches Gebiet ab.
    »Das ist schon richtig«, stimmte er mir zu, und im Spiegelbild strichen seine Lippen über meinen Nacken. »Auch wenn das jetzt toll für mich ist, aber dich richtig zu umarmen ist so viel besser. Wann schaffst du es, das nächste Mal in die Stadt zu kommen?«
    »Ich weiß nicht so genau. Vielleicht am Wochenende. Und nächste Woche fangen ja auch die Ferien an. Dann ist es bestimmt einfacher. Trotzdem glaube ich nicht, dass meine Eltern begeistert sein werden. Seit ich aus dem Krankenhaus gekommen bin, sind sie so besorgt um mich. Da muss ich schon mit einer echt guten Ausrede kommen.«
    »Hm. Kannst du Grace um Hilfe bitten?«
    »Das würde ich gerne machen, aber ich kann ihr nicht von dir erzählen. Sie würde mich nur für verrückt halten.«
    »Wahrscheinlich. Aber es wäre schon sehr viel besser, du müsstest solche Dinge vor deiner besten Freundin nicht geheim halten.«
    »Das ist nicht so schlimm. Jetzt denkt sie einfach, du wärst so eine Art Internetfreund.«
    Ich hasste es, Grace wegen Callum anzulügen. Sie und ich hatten im Laufe der Jahre so viel gemeinsam erlebt, dass es fast unmöglich war, sich so oft mit Callum zu treffen, ohne ihr davon zu erzählen. Ich hatte das Problem umgangen, indem ich ihr erzählte, ich hätte im Internet jemanden kennengelernt, den ich richtig liebte, und für den Augenblick war sie damit zufrieden. Zumindest war ich damit in der Lage, mit ihr ein bisschen über Jungs und unsere Beziehungen zu reden. Sie wurde allerdings immer ungeduldiger, wollte endlich ein Foto sehen. Daher hatte ich vor, heute Abend das Internet nach etwas zu durchsuchen, das sie zufriedenstellen würde.
    »Irgendwann würde ich Grace gerne kennenlernen«, bemerkte Callum nachdenklich. »Sie wirkt so glücklich und lebendig.«
    »Ständig!« Ich lachte. »Ihre glücklichen Gedanken und Erinnerungen machen es dir vielleicht schwer zu widerstehen!«
    »Na ja, ich bin eben ein unbeherrschtes Monster, wie du ja weißt.« Er tat so, als würde er mir in den Hals beißen.
    »Jedenfalls bin ich mir nicht so sicher, ob ich will, dass du sie kennenlernst«, sagte ich mit meiner affektiertesten Stimme. »Alle mögen sie, und am Ende liebst du sie noch mehr als mich. Schließlich hätte es genauso gut sie sein können, die das Amulett gefunden hat.«
    »Ach, aber sie war es nicht, oder? Du warst diejenige, die bereit war, danach zu graben.« Einen Moment lang schwieg er nachdenklich. »Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du es gefunden hast … und es mich gefunden hat«, murmelte er schließlich. »Wie groß war die Chance, dass das passiert? Es hätte alles so anders kommen können.«
    Ich schaute ihm in die Augen, die voller Liebe waren, und versuchte, nicht daran zu denken, was wäre, wenn ich den Draht, an dessen Ende das Amulett befestigt war, nicht aus dem Schlamm der Themse gezogen hätte. Mein Leben wäre ruhig, unkompliziert und, na ja, auch echt stumpfsinnig. In meinen Mundwinkeln zuckte ein Lächeln.
    »Du hättest auch so einen traurigen Typen von Strandräuber mit einem Metalldetektor bekommen können. Also sei froh. Und übrigens, nicht wenige hätten schreiend das Weite gesucht, nachdem du sie angesprochen hättest.« Ich dachte an die ungewissen Tage vor gar nicht so vielen Wochen zurück, als ich schon dachte, ich würde den Verstand verlieren.
    Viel zu schnell war es für Callum an der Zeit, zu einem Kino in der Nähe aufzubrechen und mit seiner üblichen Arbeit am Abend loszulegen. Wegen seiner Vorliebe für die glücklichen Gedanken von Menschen, die in einem vollbesetzten Saal eine alberne Komödie anschauten, konnte er in kurzer Zeit ziemlich viel einsammeln. Er hatte erzählt, dass die anderen Versunkenen ihn alle für verrückt hielten. Sie sagten, die Qualität dieses oberflächlichen Glücks wäre nicht so hoch wie die der echten glücklichen Erinnerungen. Aber Callum hatte dann ein besseres Gefühl bei dem, was er tat. Und zurzeit musste er viel sammeln. Er versuchte immer noch, wieder zu einem ausgeglichenen Status zu gelangen, indem er sein Amulett wieder auffüllte. Doch das war offenbar schwierig. Auch wenn er versuchte, es mich nicht merken zu lassen, konnte ich immer wieder sehen, wie Schwermut sein Gesicht verschattete. Das Sammeln
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