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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit
Autoren: Colin Forbes
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Besuch in der Rue de Saussaies, dazu um fünf Uhr morgens, war riskant gewesen.
    Der Wachtposten, der ihn ins Gebäude einließ, ging davon aus, daß Grelle in das Zimmer im vierten Stock wollte, in dem irgendein rätselhaftes Projekt verfolgt wurde - der Wachtposten dachte an den Raum, in dem ein Mann auf den nächsten Anruf Hugons wartete, des verräterischen Mitarbeiters von Oberst Lasalle, Hauptmann Moreau. Grelle ging tatsächlich in den vierten Stock, betrat zunächst das Büro, das ihm persönlich zur Verfügung gestellt worden war und in dem er Annette Devaud vernommen hatte. Dort blieb er nur einen Augenblick, um eine Schachtel Zigaretten auf den Tisch zu legen. Anschließend ging er zu dem doppelt gesicherten und gepanzerten Raum auf der anderen Seite des Gebäudes, schloß die äußere Tür auf, schlüpfte hinein und schloß sofort wieder hinter sich ab. Er befand sich jetzt in dem äußeren Raum und stand vor der gepanzerten Tür.
    Grelle ging äußerst behutsam vor. Er streifte sich Handschuhe über, nahm den Schlüssel zur gepanzerten Tür und preßte beide Seiten des Schlüssels in ein Wachsplättchen, das er mitgebracht hatte. Er pfuschte absichtlich und wackelte etwas mit dem Schlüssel, so daß der Abdruck ungenau wurde. Später würde man davon ausgehen, daß jemand danach einen frischen und perfekten Abdruck gemacht und sich so die Mittel zur Herstellung eines Schlüsselduplikats verschafft hatte. Grelle, der die Handschuhe noch anhatte, ließ den unvollkommenen Wachsabdruck zu Boden fallen und schob ihn mit der Schuhspitze unter einen Aktenschrank. In wenigen Stunden würden zahlreiche Beamte die Spuren sichern und den ganzen Raum auf den Kopf stellen. Sie würden jede Staubflocke unter die Lupe nehmen. Danach öffnete Grelle die gepanzerte Tür.
    Die Abschußvorrichtung der SAM-Rakete war in schützendes Segeltuch gehüllt und lag an der Wand auf dem Fußboden. Daneben fand Grelle eine kleinere Segeltuchrolle mit den beiden Strela -Raketen. Er rollte beide Pakete zu einem großen zusammen, das er mit der großen Segeltuchplane umwickelte und mit einer Schnur zusammenband. Er verließ den Raum, schloß ab, ging auf den Flur hinaus und verschloß die Außentür. Jetzt bestand die Schwierigkeit darin, das sperrige Paket aus dem Gebäude herauszubringen. Es war unvermeidlich, daß er einem Wachtposten begegnete, wenn nicht im Gebäude selbst, so doch am Ausgang.
    Um den in der Sûreté-Zentrale patrouillierenden Beamten nicht über den Weg zu laufen, deren Postengänge Grelle kannte, machte er einen langen Umweg. Er wanderte durch endlose Korridore und ging Hintertreppen hinunter. Diese verdammte Sûreté war ein Kaninchenbau, den er früher oft verflucht hatte, aber diesmal konnte das Labyrinth seine Rettung sein. Er ging vorsichtig die letzte Treppe hinunter, schlich aber auf Zehenspitzen wieder nach oben, als er auf dem unteren Korridor die Schritte eines Wachtpostens hörte. Grelle wartete. Die Schritte verhallten, und in das altersschwache Gebäude kehrte wieder Stille ein. Jetzt ging Grelle rasch die Treppe hinunter, erreichte das Erdgeschoß und ließ sein Segeltuchpaket in einem Schrank verschwinden, der seit Jahren leerstand. Grelle durchquerte die Eingangshalle und öffnete leise die Außentür.
    Der Wachtposten lehnte sich gegen eine Wand, und Grelle meinte, er sei im Stehen eingedöst. Es wäre aber zu riskant gewesen, den Versuch zu machen, an ihm vorbeizuschleichen.
    »Thomas!« rief Grelle mit lauter Stimme. Der Mann richtete sich mit einem Ruck auf. Seine Stimme klang sehr unsicher. Grelle war nicht der Mann, der einem Unaufmerksamkeit so ohne weiteres durchgehen ließ. »Ja, Herr Präfekt?«
    »Ich habe meine Zigaretten vergessen. Können Sie schnell mal auf Zimmer 407 gehen und sie mir holen?« Grelle gab dem Wachtposten einen Schlüssel. 
    »Auf meinem Schreibtisch liegt eine frisch angebrochene Schachtel …«
    Er lauschte dem verebbenden Geräusch der Schritte. Er stand unten vor der Treppe, holte das Paket aus dem Schrank, trug es auf den Hof hinaus und legte es vor der hinteren Sitzbank seines Autos auf den Wagenboden. Dann legte er ein Reiseplaid über das Paket. Als Thomas mit den Zigaretten und dem Schlüssel zurückkehrte, wartete Grelle in der Eingangshalle. 
    »Vielen Dank, Thomas.« Er bot dem Mann eine Zigarette an. »Passen Sie auf, daß diese Wand Ihnen nicht auf den Kopf fällt …« 
    Er ließ Thomas stehen, der ihm nervös nachstarrte. Grelle war jetzt recht
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