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Nudeldicke Deern

Nudeldicke Deern

Titel: Nudeldicke Deern
Autoren: Groener Anke
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ich es konnte. Weil mir niemand mehr gesagt hat, das sei eine «Sünde».
     
    Bis mir eines Tages aufgefallen ist, dass ich einfach keine Lust auf Schokolade hatte. Das nahm ich schulterzuckend hin, legte die Tafel wieder in die Speisekammer und dachte 24 Stunden lang nicht daran. Einen Abend später merkte ich: Ich habe immer noch keine Lust auf Schokolade. Ich habe so viele gute und tolle und neue Geschmäcker im Mund und im Bauch, dass ich jetzt gerade keine Schokolade essen möchte. Ich habe, wie bei allem Essen, was ich im letzten Jahr zubereitet habe, in mich hineingehört: Hast du da jetzt Lust drauf? Hast du wirklich Hunger? Und zwar nicht mit dem missgünstigen Diät-Zeigefinger im Hinterkopf, der mir vorlügt, dass mir ein kalorienarmer Salat doch bestimmt viel besser schmecken würde als die Gnocchi mit Salbeibutter, sondern mit dem gutgelaunten Bauch und der noch besser gelaunten Seele: Auf was hast du jetzt so richtig Lust? Auf die Gnocchi? Dann machen wir jetzt Gnocchi.
     
    Mein Kopf ist so gestört, dass er sehr, sehr lange geglaubt hat, er wird morgen sowieso wieder auf irgendeine bescheuerte Diät gesetzt, weswegen er grundsätzlich auf alles Lust hatte, was in meiner Nähe war. Wer weiß, wann’s wieder was Gutes gibt, also schnell her damit. Seit einigen Monaten kriegen Kopf und Bauch und Seele aber alles, was sie haben möchten, und niemand zwingt sie mehr zu irgendwas, was sie doof finden. Und weil sie inzwischen wissen, dass sie immer und ewig Schokolade bekommen können, wollen sie plötzlich gar nicht mehr so dringend welche haben.
     
    Seit einigen Monaten freue ich mich wieder auf etwas Süßes abends. Das ist mal eine ganze Tafel Schokolade. Das ist aber immer öfter nur ein Riegel. Oder ein riesiger Milchkaffee mit einem Stück Schokolade als Deko. Oder nur der Milchkaffee. Oder gar nichts. Ich kann essen, was immer ich will, und ich kann auch nichts essen, wenn ich das will. Das nennen die ganzen schlauen Bücher, die ich im letzten Jahr gelesen habe, «intuitives Essen», und sie legen es jedem und jeder Diätgeplagten ans Herz.
     
    Ich schütte seit einem Jahr an alles Olivenöl, und zwar nicht nur den 1-Punkt-Weight-Watchers-Teelöffel, sondern so viel wie Jamie Oliver, wenn er von «a little olive oil» redet. Ich habe keinen Süßstoff mehr im Haus und trinke Tee mit Zucker. Im Kühlschrank ist immer Sahne vorrätig und wird gerne in Saucen gekippt (und noch lieber in Mousse oder Eiscreme). Ich backe gefühlt dauernd Kuchen und Muffins und Cupcakes. Ich haue Butter und Salz an mein Gemüse, anstatt es kalorienarm zu dämpfen. Ich gönne mir sehr gerne ein Baguette oder Weißbrot statt des fiesen Vollkornbrots. Ich werfe Nüsse in Salate, karamellisiere alles, was nicht vor mir wegrennen kann, ich probiere, ich entdecke, ich genieße jeden verdammten Bissen, ohne einen Millimeter meines Gehirns damit zu belasten, wie viele Kalorien ich gerade zu mir nehme. Und irgendwann war meine Jeans zu groß und der Gürtel zu weit, und ich zog die Golfhose aus dem Schrank, und sie passte.
     
    Ich habe noch nie so gut gegessen wie im letzten Jahr, und ich habe 13 Kilo abgenommen. Weil ich endlich esse, was mein Körper haben will und was mir schmeckt und was mir Spaß macht. Weil ich keine Selbstvorwürfe mehr zulasse und mich ärgere, wenn ich die ganze Tafel Schokolade gegessen habe, wo doch gestern nur ein Stück gereicht hat. Weil ich mich aufs Essen freue und aufs Kochen und aufs Genießen.
     
    Und die Waage ist nach dem einmaligen Draufsteigen und Wundern wieder in der Abstellkammer gelandet.

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Ein Tag nach dem anderen
    Ich möchte mich kurz selbst zitieren. Ich habe im Vorwort geschrieben: «Dieses Buch ist kein Diätbuch.» Ist es auch nicht, obwohl ich abgenommen habe. Ich sage das nochmal so deutlich, weil man, wenn man einmal in diesem dusseligen Diätdenken drin ist, da nicht so schnell wieder rauskommt.
     
    Diäten funktionierten in den allermeisten Fällen nicht. Das weiß ich inzwischen, weil ich es 25 Jahre lang ausprobiert habe. Wahrscheinlich weißt du das auch. Und trotzdem: Sobald ich irgendwo lese «Ich habe abgenommen», poppt in meinem blöden Kopf die kleine dünne Wunsch-Anke auf und wispert: Vielleicht geht’s ja doch.
     
    Als ich gemerkt habe, dass ich abnehme, ohne etwas dafür zu tun, war mein erster Gedanke nicht: «Haha, der beste Beweis dafür, dass das ganze Diätgequatsche auf den Müll gehört – ich esse seit einem Jahr, was
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