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Nudeldicke Deern

Nudeldicke Deern

Titel: Nudeldicke Deern
Autoren: Groener Anke
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«Deutsche sind die dicksten Europäer» liest – schau nach, woher diese Zahlen kommen. Wenn es dir möglich ist, überprüf die Quellen, auf die sich diese Meldungen beziehen. Stammt die Studie von Pharmakonzernen, die zufälligerweise ein paar Diätpillen im Programm haben? Man kann sich so ziemlich alles ergoogeln, und viele Studien stehen vollständig im Internet, sodass du selber nachlesen kannst, ob da wirklich gesagt wird, dass die Deutschen die dicksten Europäer sind, oder ob das mal wieder Blödsinn ist, wie so vieles, was über die große Gefahr des Dickseins geschrieben wird.
    In diesem Zusammenhang: Wann immer dir jemand so was unter die Nase hält und du berechtigt widersprechen kannst – mach das. Ich persönlich finde es sehr befreiend, einige Vorurteile oder Meinungen zu widerlegen, die sich nach Jahren der Fetthysterie in vielen Köpfen festgesetzt haben. Das heißt nicht, dass ich in jede Diskussion einsteige, aber wenn von Freunden oder Kolleginnen wieder unbedachte Sätze fallen, sage ich ab und zu was, anstatt nur in mich reinzudenken: Was labert ihr da gerade für einen Stuss? Schon der Satz «Wenn es wirklich so einfach ist abzunehmen, wie es die ganzen Diätfachleute behaupten, warum gibt’s dann überhaupt noch dicke Menschen?» bringt die meisten aus dem Konzept. Sei nicht immer die lustige Dicke, die nicht auffallen will. Sei wütend. Sei laut.
    Ich weigere mich inzwischen, die neuesten Diättrends zu diskutieren oder stumpf zu bejahen, wenn eine meiner Freundinnen mal wieder gewohnheitsmäßig darüber nölt, dass sie ja sooo fett geworden sei. Ist sie natürlich nicht, aber anscheinend ist das ein beliebtes weibliches Ritual, sich gegenseitig zu versichern, dass man irgendwie nicht in Ordnung sei und was ändern müsse. Ich spiele dieses dusselige Spiel nicht mehr mit, sondern sage: «Du siehst toll aus, genau so, wie du jetzt bist. Und wenn du 20 Kilo mehr oder weniger wiegen würdest, sähest du auch toll aus. Können wir jetzt bitte über was anderes reden?»
    Gleichzeitig bin ich dazu übergegangen, Freundinnen und Kolleginnen einfach mal zu sagen, wie gut sie aussehen. Wenn ich richtig mutig bin, mache ich das sogar mit Menschen, die ich nicht kenne. Ich habe einmal eine etwas dickere Frau in der Fußgängerzone gesehen, die aussah, als hätte sie einen miesen Tag. Also ging ich zu ihr hin und sagte ihr, dass mir ihre Jacke wirklich gut gefalle, dass sie ihr toll stehe, und fragte sie, wo sie die gekauft hätte. Ich weiß nicht, ob ich damit ihren Tag ein bisschen besser gemacht habe, aber ich möchte das glauben, denn als dicker Mensch bekommt man recht selten Komplimente von wildfremden Menschen. (Unter uns: Nachts ziehe ich mir ein enges Glitzerkleid und ein Cape an, fliege mit meinem wehenden Armfett über Deutschland und mache dicken Frauen im Schlaf Komplimente. Ich bin Fat Wonderwoman, und wenn du gutgelaunt aufwachst, war ich bei dir.)
    Aber auch Fat Wonderwoman hat schlechte Tage, und an denen bin ich nicht gut genug, nicht schlau genug, nicht hübsch genug und habe – the horror! – auch noch im Supermarkt Industriefutter gekauft. Ich habe gelernt, mir zu vergeben, dass ich nicht perfekt bin. Wenn ich zu faul bin, den Umweg zu meinem Gemüsehöker zu machen, dann kaufe ich eben pestizidbelastete Paprika im Supermarkt. Wenn ich im Winter Lust auf Erdbeeren habe, dann kaufe ich eben die mit den 8000 Flugkilometern auf dem Buckel. Wenn ich in alte Muster zurückfalle, esse ich von allem zu viel und das in kürzester Zeit, und mir ist schlecht, und ich bin traurig. Aber ich vergebe mir das. Ich bin menschlich und nicht immer Wonderwoman. Und ich weiß, dass ein schlechter Tag um Mitternacht vorbei ist und morgen alles anders sein kann. Ich weiß, dass, nur weil ich einmal wieder in die Weißbrot-und-Nutella-Falle getappt bin, sich das nicht automatisch morgen wiederholt. Ich weiß, dass ich morgen wieder Zeit für den Markt habe und mich über frisches Essen freuen werde. Ein schlechter Tag und ein Besuch im Supermarkt machen mich nicht zu einem schlechten Menschen, genauso wenig, wie mich mein dicker Körper zu einem schlechten Menschen macht.
     
    Um nochmal auf das Foodcoaching zurückzukommen und die unmittelbaren Auswirkungen: Ich mache inzwischen nicht mehr dauernd Nudeln selber, ich haue wieder Zucker in den Espresso, und das Wort «vernünftiges Essen» ist so unsexy, dass ich mir selber verbiete, es zu benutzen. Essen ist toll und großartig und umwerfend,
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