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November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

Titel: November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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Lothringer: »Ein Leninmanöver (er sah den Hausherrn groß an), vorige Woche, in Straßburg?« Der Advokat legte stolz den Kopf zurück: »Sie meinen, es ist Ihrem Journalistenblick entgangen? Nun, Sie kennen’s natürlich im groben, aber lassen Sie mir meine Revanche. Herr Barrès, Sie erinnern sich an die Affäre von 1917: Ludendorff steckt, um die russische Front statt mit Kanonen von innen zu zerbrechen, Lenin und Konsorten in der Schweiz in den berühmten plombierten Wagen und läßt sie durch Deutschland fahren. Dieser Versuch glückte, und zwar so, daß er zur Wiederholung einlud. Sie haben es an uns probiert. Aufs Wort, Herr Direktor, ich bitte mich anzuhören. Berlin versuchte es erst auf normale Weise, uns seine preußische Autonomie zu schenken, Affäre Schwander und Hauss, erschütternd, wie man uns damals ein Lied von demokratischen Prinzipien vorsang. Sie redeten sich ein, bei einer Abstimmung in Elsaß-Lothringen würden achtzig Prozent der Stimmen an Deutschland fallen.« Der Lothringer stieß sein tiefes behagliches Lachen aus: »Warum auch nicht? Ich war davon überzeugt, es gelingt, unter entsprechender Nachhilfe, mit Arrangierung der Wählerlisten, vielleicht hätte man Leute herkommandiert.« Der Advokat: »Unser goldener Peirotes, und Jung in Metz, sollten mitspielen, und sie machten den Berlinern einen Strich durch die Rechnung. Da haben sie aber die Hoffnung noch lange nicht aufgegeben. Sie hätten doch zu gerne ihr schützendes Händchen weiter über Elsaß-Lothringen gehalten. Kommt die Revolution. Man kann nicht leugnen, daß sie zäh und geschickt sind. Sie setzen auch die Revolution in ihr Spiel. Und nun die Lenintour. Sie sammeln in Wilhelmshaven, frisch von der Quelle der Revolution, zweihundert elsaß-lothringische Matrosen, packen sie in einen komfortabeln Sonderzug, und die schicken sie hierher, mit einer kolossalen roten Fahne.« Barrès: »Wann war das?« Der Advokat zu seiner Frau: »Wann kamen sie noch? Du warst grade am Bahnhofsplatz, als sie kamen.« »Das war Mamas Geburtstag, am Vierzehnten.« Barrès: »An diesem 14.November?« »Ja, vor noch nicht zehn Tagen. Das ganze Drama ist dann nämlich sehr rasch verlaufen, es wurde eine völlig elsässische Geschichte. Die Matrosen kamen also munter an und wollten hier stehenden Fußes die elsaß-lothringische Republik verkünden, auftragsgemäß. Wir sind jedenfalls davon überzeugt, daß so etwas vorlag, zum mindesten ein Impuls, ein Einverständnis, und unsere Seeleute haben sich als ehrliche Männer sofort prompt ihres Auftrags entledigt. Aber da stellte sich wie im Falle Schwander-Hauss unser Peirotes ein – man sollte ihm wahrlich ein Denkmal setzen – und erklärte: das ginge nicht. Man muß wissen, mit welcher Sicherheit Peirotes erklären kann, etwas geht nicht. Warum geht es nicht, wieso. Nein. Was nicht geht, geht nicht. Die Dinge liegen hier eben so. Basta. Sie haben es rasch begriffen. Haben gar nicht lange rebelliert. Die Revolutionäre haben’s ihm geglaubt, es ginge nicht. Sie waren Elsässer mit einem Elsässer.«
    Barrès lächelnd: »Kluge Revolutionäre. Man sollte sie ausfindig machen und dekorieren.«
    Man war in heiterster Stimmung. Barrès saß bequem zurückgelehnt: »Elsaß-Lothringen sollte eine internationale Republik im nationalen Rahmen von Deutschland werden.« Sie lachten kräftig. Barrès: »Ich halte ihre ganze Revolution, unter uns gesagt, für ein Betrugsmanöver. Wenn sie nicht von den Generälen gemacht ist, ist sie ihnen sicher sehr gelegen gekommen. Diese Herrschaften, seien Sie sicher, werden sich für die nächsten Monate ihre Revolution unter keinen Umständen rauben lassen.« Wieder lachte man. Barrès selber nicht. Nein, er machte eine Handbewegung, die zur Aufmerksamkeit einlud: »Die Revolution paßt ihnen ausgezeichnet. Bedenken Sie: weder die Hohenzollern noch der Große Generalstab haben einen Vertreter zu den Waffenstillstandsverhandlungen geschickt. Ein General Winterfeldt ist gekommen, die Hauptsache machte der Abgeordnete Erzberger. Das Arrangement, die Linie ist deutlich: die Verantwortung abwälzen, sich den Konsequenzen entziehen. Den braven Herrn Erzberger hat man dann für später als Prügelknaben. Die Spitze, das Große Hauptquartier ragt schweigend über den Wolken.«
    Man saß nachdenklich. Der Hausherr äußerte sich leise: »Wir haben da auch eine merkwürdige Beobachtung gemacht. Im Beginn markierte hier der kommandierende General einen ernstlichen Widerstand
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