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Nosferatu 2055

Nosferatu 2055

Titel: Nosferatu 2055
Autoren: Carl Sargent & Marc Gascoigne
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Einzelheiten erzählen, und ich kann dir einen Einblick in dein Selbst verschaffen«, sagte Niall. »Es liegt an dir. Und es ist mehr, als ich eigentlich tun sollte.«
    »Erzähl es mir einfach«, sagte Serrin, da er ein wenig Angst davor hatte, was dieser außergewöhnliche Elf mit seinem Verstand anstellen mochte. Niall schien das zu verstehen, aber er traf seine eigene Entscheidung, da er der Ansicht war, daß dieser sture Magier nicht allein auf Worte hören würde. Er nahm Serrins Kopf in die Hände.
    Praktisch augenblicklich wurde Serrin von Erinnerungen überflutet. Er sah den Horizont hinter dem Hafen mit den Segelschiffen, spürte die Wärme des Windes über dem azurblauen Ozean, sah sein weißes Gewand und sah sie neben sich stehen. Er hörte keine Worte, aber er sah, wie er mit ihr redete und gestikulierte, während sie das, was er sagte, mit einem dünnen Schilfrohr auf ein Stück Tierfell schrieb. Er hatte gerade die Tatsache registriert, daß sie auch eifisch war, als die Szene verblaßte. Dann sah er sich allein in einer düsteren Strohhütte, deren feuchte Dunkelheit nur durch eine brennende Bienenwachskerze auf dem primitiven Holztisch erhellt wurde, vor dem er saß. Er spürte feuchtes, streng riechendes Tierfell auf seinem Rücken, Kleidung, die er trug. Außerdem sah er eine verzierte Eisentafel und einen Kelch neben sich, aber das war alles, was er von seiner Umgebung aufnahm. In seinem Innern brodelte ein Vulkan der Gefühle. Ich kann sie nicht haben. Ihr Vater hat sie an Declan verkauft, der sie heiraten wird, und ich kann sie nicht haben. Soll ich ihn umbringen oder mich selbst?
    Als Niall Serrin losließ, war dieser totenbleich und zitterte wieder.
     
    »Das ist ein Trick«, polterte er. »Du hast in meinem Verstand herumgepfuscht. Das ist nicht wirklich. Nichts davon ist wirklich!«
    »Es war einmal wirklich. Einst warst du ihr Lehrer. Du hattest das Gefühl, es sei falsch, ein Mißbrauch deiner Verantwortung. Ich glaube, das spiegelt sich jetzt in der Tatsache wider, daß du diesmal so viel älter bist, was eine ähnlich hemmende Wirkung auf dich hat. Ein andermal wurde sie gegen ihren Willen verheiratet. Es war immer schwierig, aber du hast nur zwei Beispiele gesehen. Sie litt so sehr, daß sie nicht noch einen Zyklus durchmachen wollte. Was der Grund dafür ist, daß sie diesmal ein Mensch ist. Für ihre Seele ist es ein Rückschritt auf dem Weg, aber sie war gerne bereit, diesen Preis für euch beide zu bezahlen. Diesmal ist es möglich. Diesmal braucht ihr nicht getrennt zu werden. Ihr habt die Möglichkeit, es richtig zu machen.«
    »Ich begreife das nicht. Was soll ich jetzt tun?« fragte ihn Serrin.
    »Selbst wenn ich das wüßte, könnte ich es dir nicht sagen. Es steht mir nicht zu, den Weg eines anderen für ihn zu beschreiten. Aber wenn du nichts von der Liebe erwiderst, die sie für dich empfindet, machst du es euch und auch dir selbst beim nächstenmal noch schwerer.« Sie gingen schweigend zum Wagen zurück.
    Kurz bevor er die hintere Tür des Wagens öffnete, sagte Serrin. »Ich kann das nicht verstehen. Es will mir einfach nicht in den Kopf.«
    »Vergiß deinen Kopf«, sagte Niall nur und setzte sich auf den Fahrersitz. Der Wagen setzte sich in Bewegung und fuhr langsam den Berghang herab und in den Morgen hinein.

30
     
    Serrin trank seinen Kaffee und betrachtete die Skyline von Manhattan. Es war so viel auf ihn eingestürzt, und obwohl er das Gefühl hatte, irgendwann einmal alles verarbeiten zu können, wußte er auch, daß er noch nicht einmal damit angefangen hatte.
    Sie waren bei Michael zu Besuch. »Ich sagte doch, Engländer sind praktisch gegen Kugeln gefeit«, witzelte Michael. »Eine Zeitlang werde ich ein Rückenkorsett brauchen, vielleicht sogar für immer, aber ansonsten ist alles in Ordnung.«
    Er hatte den Flug nach Sun City noch im Krankenhaus gebucht, da er erpicht darauf war, dort herauszukommen. Während Serrin, Tom und Kristen darauf warteten, daß er kräftig genug für den Heimflug wurde, hatten sie die meiste Zeit im Hotel verbracht und geschlafen. Die Zerreißprobe mit Luther hatte ihnen in körperlicher und seelischer Hinsicht einen enormen Tribut abverlangt. Der irische Elf hatte sie nach Berlin gefahren und war dann verschwunden. Serrin hatte ihn nicht dazu bewegen können, seinen Namen zu nennen, ganz zu schweigen davon, wohin er ging und was er jetzt vorhatte. Vielleicht stimmte ja, was der irische Elf behauptete, daß es besser für Serrin
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