Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
zurück.
    »Nun?«, erkundigte sich Hindrik, als sie gegen Mitternacht in die schlichte untere Stube trat, wo er allein am Tisch saß und an einem neuen Kunstwerk arbeitete.
    »Was wird das?« Alisa beugte sich über seine Schulter.
    »Es wird ein Modell der Wappen von Hamburg II, ein Konvoischiff, das sechzehnhundertsechsundachtzig vom Stapel lief. Natürlich ist jedes Detail in genau der richtigen Größe nachgebaut. Nicht so wie bei den Bastelarbeiten der Menschen, die nur grobe Ähnlichkeit mit dem Original aufweisen.«
    Alisa deutete auf eine Reihe von Luken im Rumpf. »Waren das alles Kanonen?«
    »Aber ja, die Admiralität hat ihre Konvois nach Spanien und  Portugal gut gerüstet. Und dennoch haben wir nicht nur einmal in das Mündungsfeuer von Piraten geblickt.«
    »Du bist auf diesem Schiff mitgefahren?«, sagte Alisa fast ehrfürchtig. Hindrik erzählte nicht oft aus seinem Leben.
    Er nickte nur knapp und wechselte das Thema. »Und? Was gibt es Neues aus der so spannenden Menschenwelt zu berichten? Was hast du bekommen?«
    Alisa strahlte und rollte das Papierbündel auseinander. Feierlich legte sie die Zeitungen nebeneinander: »Eine Norddeutsche Allgemeine Zeitung von gestern, eine Kölnische Volkszeitung von vorgestern, ein Hamburger Fremdenblatt von heute und die Altonaer Nachrichten von gestern.«
    »Das ist nicht schlecht«, stimmte ihr Hindrik zu und befestigte mit spitzen Fingern eine Rahe.
    »Fangen wir mit den Neuigkeiten und dem Verdruss aus Hamburg an«, sagte Alisa und schlug das vorletzte Blatt von hinten auf.
    »Die Reepschläger* protestieren gegen die Pläne der Stadt, die Reeperbahnen am Hamburger Berg abzureißen und noch mehr Vergnügungsetablissements wie um den Spielbudenplatz zu bauen. Die Männer der Seilervereinigung meinen, ihre Taue, die sie dort in ihren langen Bahnen drehen, werden in der Schifffahrt und anderswo immer gebraucht werden«, fasste sie den ersten Artikel zusammen. »Außerdem haben sich vor zwei Tagen die Anwohner von Altona zusammengerottet und den Transiedern* gedroht, sie samt ihren Kesseln in die Elbe zu werfen, wenn sie den Waltran weiterhin unter freiem Himmel am Strand auskochen. Sie sagen, der Gestank sei so bestialisch, dass eine Gerberei dagegen himmlisch dufte.«
    Hindrik nickte wissend. »Da haben die Menschen nicht unrecht. Aber das Problem wird sich bald von selbst lösen. Es gibt fast keine Grönlandwale mehr, und alle anderen Wale schwimmen zu schnell, um mit den Ruderschaluppen an sie ranzukommen. Außerdem wird nicht mehr so viel Tran gebraucht. Die Straßenlaternen verbrennen jetzt Gas, und auch das Petroleum, das sie  in Fässern aus den Vereinigten Staaten bringen, wird den Tran an vielen Stellen ersetzen.«
    Alisa seufzte. »Du hast sicher recht. Sie sind dort drüben mit ihren Erfindungen schon viel weiter. Das muss fantastisch sein! Ach, wie gern würde ich mich auf eines der Auswandererschiffe schmuggeln und einfach mitfahren, um das alles mit eigenen Augen zu sehen.«
    Hindrik sah sie erschrocken an. »Du wirst doch keine Dummheiten machen? So schön ist das gar nicht. Ich war erst vor ein paar Jahrzehnten drüben und bin gerne zurückgekommen. Ich muss wohl noch besser auf dich aufpassen, wenn dir solche Gedanken im Kopf herumspuken.«
    Sie betraten dünnes Eis, und so schien es Alisa klüger, das Thema zu wechseln. »Wo sind denn alle? Das Haus war wie ausgestorben, als ich zurückkam.«
    Hindrik schnitzte zwei weitere Wanten. »Die neue Centralhalle wird eröffnet. Das ist ein riesiges Spektakel. Sie haben sie dieses Mal aus Stein gebaut, mit pompösem Säulenportal und was sonst noch so in Mode ist.« Er zog eine Grimasse.
    »Die alte ist abgebrannt, nicht?«
    Hindrik nickte.
    »Und warum bist du nicht mitgegangen?«
    Hindrik seufzte. »Weil ich ein Auge auf dich und die Jungen haben soll.«
    »Na mich hast du ja jetzt im Auge.« Alisa blätterte in ihrer Zeitung und wollte gerade weiterlesen, als die Tür aufgerissen wurde und ihr Bruder Thankmar hereinstürmte.
    »Wir werden in eine Schule gehen«, sprudelte er hervor.
    Alisa runzelte die Stirn. »Wer hat dir denn diesen Blödsinn erzählt?«
    »Das ist kein Blödsinn! Dame Elina hat es genau so gesagt! - Äh, ja, nicht direkt zu mir, aber ich habe es deutlich gehört.«
    »Tammo, du hast gelauscht!«
    Er nickte stolz. »Und was sagst du dazu?«
    »In eine Schule? Das ist doch lächerlich.«
    Tammo schüttelte den Kopf. »Ich schwöre es. In eine Akademie für junge Vampire, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher