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Nord gegen Süd

Nord gegen Süd

Titel: Nord gegen Süd
Autoren: Jules Verne
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Gewirr baumartiger, mit Rohr durchsetzter Gesträuche bis zum Rande des Canals und bis wenige Schritte von der Stelle, wo die Pirogue liegen mußte.
    Zermah beschloß zunächst in dieses, sie gut verbergende Dickicht zu flüchten, was sie denn auch sogleich ausführte. Die hohen Gewächse gewährten den beiden Flüchtlingen einen Durchgang und schlossen sich hinter diesen wieder zusammen. Das Bellen des Hundes war augenblicklich nicht mehr zu hören.
    Dieses Durchschlüpfen des Dickichts gelang freilich nicht ohne Mühe. Sie mußten sich dabei durch das Gezweig der Büsche drängen, die oft nur einen sehr beschränkten Raum zwischen sich ließen. Bald hingen Zermah’s Kleider in Fetzen herunter und von ihren Händen tröpfelte das Blut, doch das kümmerte sie nicht, wenn sie nur das Kind davor schützen konnte, von den langen spitzen Dornen verletzt zu werden – der muthigen Mestizin konnten diese Stiche und Risse keinen Schmerzenslaut abnöthigen. Trotz ihrer sorgsamsten Aufmerksamkeit zog sich das kleine Mädchen doch da und dort an Händen und Armen kleine Verwundungen zu. Doch auch Dy stieß keinen Schrei aus und ließ keine Klage über ihre Lippen kommen.
    Obwohl die zu durchmessende Strecke nur kurz – höchstens gegen siebenzig Schritte lang – war, so bedurfte es doch nicht weniger als einer halben Stunde, um den Canal zu erreichen.
    Zermah stand hierauf still und blickte durch das Rohr erst noch einmal nach der Seite des Wigwams und dann nach der des Waldes scharf hinaus.
    Unter dem Hochwald der Insel war kein Mensch zu bemerken; ebensowenig am anderen Ufer ein Zeichen der Anwesenheit Texar’s und seiner Begleiter, die sich jetzt wahrscheinlich schon eine oder zwei Meilen weit im Innern befanden. Trafen sie dabei nun nicht mit einer feindlichen Abtheilung zusammen, so war ihre Rückkehr vor Ablauf einiger Stunden nicht zu gewärtigen.
    Zermah konnte jedoch nimmermehr glauben, daß sie im Wigwam ganz allein zurückgelassen worden wäre. Ebensowenig war anzunehmen, daß der Bruder Texar’s, der mit seinen Anhängern am Vortage eintraf, während der Nacht die Insel schon wieder verlassen haben werde, und noch weniger, daß der zweite Spürhund mit ihm fortgegangen sei. Außerdem hatte die Mestizin ja vorher ein Gebell vernommen – ein Beweis, daß der Hund doch irgendwo unter den Bäumen umherstreifte. Jeden Augenblick konnte Einer oder der Andere vor ihr auftauchen.
    Der Leser erinnert sich, daß Zermah, als sie den Abzug der Begleiter Texar’s beobachtete, die Pirogue bei der Fahrt über den Canal nicht wahrnehmen konnte, da dessen Bett durch die Höhe und den dichten Stand des Rohres verdeckt wurde.
    Die Mestizin zweifelte jedoch gar nicht daran, daß diese Pirogue durch einen der Sclaven zurückgerudert worden sei. Das erforderte ja schon die Sicherheit des Wigwams für den Fall, daß die Soldaten des Capitän Howick die Südstaatler zurückgeworfen und versprengt hätten.
    Wenn die Pirogue aber doch am jenseitigen Ufer zurückgeblieben war, wenn man es für rathsam erachtet hätte, sie nicht zurückzuschicken, um dem von den Föderirten zu hart bedrängten Texar und seiner Truppe einen schnelleren Uebergang zu ermöglichen, was sollte dann die Mestizin beginnen, um nach der anderen Seite zu gelangen? Dann blieb ihr auf den ersten Blick nur übrig, vielleicht in den Hochwald der Insel zu flüchten und etwa abzuwarten, bis der Spanier tiefer drin in den Evergladen selbst einen neuen Zufluchtsort aufsuchte. Doch wenn er das that, geschah es gewiß nicht, ohne vorher Alles zu versuchen, um Zermah nebst dem Kinde wieder in seine Gewalt zu bringen. Die Hauptsache für sie blieb also, die Pirogue benutzen zu können, um zum anderen Ufer des Canals zu gelangen.
    Zermah hatte nur sechs bis acht Schritte weit durch das Röhricht vorzudringen. Hier angelangt, hielt sie ein…
    Die Pirogue lag am anderen Ufer.
Fünfzehntes Capitel.
Die beiden Brüder.
    Die Situation war eine verzweifelte. Wie nun hinüberkommen? Selbst ein geübter Schwimmer hätte das nicht vermocht, ohne dabei zwanzigmal das Leben auf’s Spiel zu setzen. Wohl betrug die Entfernung von einem Ufer zum anderen nur etwa hundert Fuß, doch ohne Benutzung eines Bootes war dieselbe gar nicht zu überwinden. Da und dort lugten nämlich verdächtige dreieckige Köpfe aus dem Wasser heraus und die darin wachsenden Pflanzen bewegten sich unaufhörlich durch das Hin-und Hergleiten der Reptilien.
    Vor Entsetzen schaudernd, drängte sich die kleine Dy
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