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Nora Roberts

Nora Roberts

Titel: Nora Roberts
Autoren: Töchter der See
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Es ist Zeit für deine Medizin.«
    »Er hätte dich geliebt«, sagte Amanda in leidenschaftlichem Ton. »Wenn er die Chance dazu bekommen hätte. Und in meinem Herzen weiß ich, er hat dich geliebt, auch wenn er dich niemals gesehen hat.«
    »Hör auf.« Shannon stand auf, entzog ihrer Mutter ihre Hand und trat vehement einen Schritt zurück. »Ich will das nicht hören. Ich muß das nicht hören.«
    »Oh doch. Es tut mir leid, daß es schmerzlich für dich ist, aber du mußt wissen, wie es war. Ich ging tatsächlich fort«, sprach sie eilig weiter. »Meine Familie war schockiert und außer sich vor Zorn, als ich beichtete, daB ich schwanger war. Ich sollte bis zur Entbindung die Stadt verlassen und dich diskret und unauffällig weggeben, denn nur so kämen sie um den Skandal und die Schande herum. Doch eher wäre ich gestorben, als das zu tun. Du warst mein Kind, und du warst Tommys Kind. Es gab furchtbare Worte in unserem Haus, Drohungen, schließlich wurde mir ein Ultimatum gestellt. Ich wurde enterbt, und mein Vater, der ein cleverer Geschäftsmann war, sperrte mein Konto, so daß mir auch das von meiner Großmutter ererbte Geld genommen war. Weißt du, er hat Geld nie als Spiel gesehen. Für ihn war es immer gleichbedeutend mit Macht.
    Ich habe das Haus ohne jedes Bedauern verlassen, mit dem Geld, das ich in der Brieftasche hatte, und einem einzigen Koffer in der Hand.«
    Shannon hatte das Gefühl, als hätte ihr jemand den Kopf unter Wasser getaucht, als bekäme sie keine Luft. Nur allzu deutlich sah sie ihre Mutter vor sich, wie sie als junge, schwangere Frau ohne Geld mit einem einzigen Koffer in der Hand auf der Straße stand. »Und es gab niemanden, der dir geholfen hätte?«
    »Kate hätte es getan, aber dies war allein meine Angelegenheit. Falls es Grund zur Scham gab, dann nur für mich. Aber auch die Freude gab es nur für mich. Ich nahm einen Zug nach Norden und bekam einen Job als Bedienung in einer Feriensiedlung in den Catskills. Und dort traf ich Colin Bodine.«
    Amanda wartete, während Shannon sich abwandte, um nach dem erlöschenden Feuer im Kamin zu sehen. Abgesehen vom Zischen der verglühenden Scheite und vom Wind, der an den Fensterläden rüttelte, herrschte Stille im Raum. Aber durch die Stille hindurch spürte sie den Sturm, der im Inneren des Kindes tobte, dem sie in größerer Liebe als ihrem eigenen Leben verbunden war. Und sie wußte, bald bräche dieser Sturm über sie beide herein.
    »Er war mit seinen Eltern dort. Ich achtete nicht besonders auf ihn. Für mich war er einfach einer der reichen, privilegierten Gäste, zu deren Bedienung ich angeheuert worden war. Hin und wieder scherzte er mit mir, worauf ich ordnungsgemäß lächelte. Meine Gedanken galten ausschließlich meiner Arbeit, dem Geld, das ich dafür bekam, und dem Kind, das unter meinem Herzen wuchs. Dann brach eines Nachmittags ein fürchterliches Gewitter los, und zahlreiche Gäste beschlossen, in ihren Hütten zu bleiben und sich das Essen dorthin zu bestellen. Also eilte ich mit einem schwer beladenen Tablett in Richtung einer der Unterkünfte, denn hätte sich der Gast über kaltes Essen beschwert, hätte ich den Ärger gehabt. Und Colin kommt klatschnaß um die Ecke gefegt und rennt mich einfach um. Was für ein Tolpatsch er doch immer war, Gott hab ihn selig.«
    Shannon starrte mit tränennassen Augen in die Glut. »Er hat mir erzählt, daß er dich kennengelernt hat, weil er mit dir zusammengestoßen ist.«
    »Und das stimmt. Wir haben dir immer soweit die Wahrheit gesagt, wie wir dachten, daß du keinen Schaden nimmst. Also flog ich mit meinem Tablett der Länge nach in den Schlamm, und das ganze schöne Essen war ruiniert. Er setzte zu einer Entschuldigung an und versuchte, mir beim Aufstehen behilflich zu sein. Aber ich sah nur das Essen, das auf dem Boden lag. Und mein Rücken schmerzte vom Tragen der schweren Tabletts, und meine Füße waren müde, weil ich den ganzen Tag auf den Beinen gewesen war. Ich fing an zu weinen. Saß einfach da im Schlamm und heulte mir die Augen aus. Ich konnte einfach nicht mehr aufhören, selbst dann nicht, als er mich hochhob und in sein Zimmer trug.
    Er war ein solcher Schatz, setzte mich, obwohl ich von oben bis unten schmutzig war, auf einen Stuhl, hüllte mich in eine Decke ein und tätschelte mir die Hand, bis ich mich endlich zu beruhigen begann. Ich schämte mich fürchterlich, und er war so nett zu mir. Er ließ mich erst gehen, nachdem ich versprochen hatte, abends mit
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