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Nora Roberts

Nora Roberts

Titel: Nora Roberts
Autoren: Töchter der See
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fanden wir eine reizende kleine Pension mit Blick auf den Shannon. Wir beschlossen, daß dies der perfekte Ausgangspunkt für eine Reihe von Tagesausflügen war. Wir fuhren zu den Cliffs of Moher, nach Galway, zum Strand von Ballybunnion, und immer wieder einmal tauchte abseits der Straßen ganz unvermutet irgendeine Ruine, ein malerisches Gehöft oder sonst etwas Interessantes auf.«
    Sie sah ihre Tochter mit leuchtenden Augen an. »Oh, ich wünschte, du würdest selbst dorthin reisen, würdest selbst die Magie dieses Landes spüren, würdest hören, wie das Meer donnernd gegen die Klippen schlägt, würdest das Grün der Felder sehen, würdest im weichen Regen stehen oder im tosenden Sturm, der über den Atlantik braust. Und das Licht – alles ist wie in mit Gold bestäubtes Perlmutt getaucht.«
    Shannon dachte, daß ihre Mutter eine überraschende Liebe und eine verwirrende Sehnsucht nach diesem Land empfand. »Und trotzdem warst du nie wieder dort.«
    »Nein.« Amanda stieß einen Seufzer aus. »Ich war nie wieder dort. Hast du dich je gefragt, mein Liebling, wie es kommt, daß ein Mensch alles sorgfältig planen kann, daß er genau weiß, wie sein Leben am nächsten und am übernächsten Tag verlaufen soll – bis dann irgend etwas passiert, das auf den ersten Blick ohne große Bedeutung ist, wodurch aber alles verändert wird, so daß nichts so bleibt, wie es vorher war?«
    Da dies weniger eine Frage als eine Feststellung war, wartete Shannon einfach ab, daß ihre Mutter ihr erzählte, welche Kleinigkeit ihr Leben so verändert hatte.
    Wieder gewann der heimtückische Schmerz die Oberhand, so daß Amanda für einen Augenblick die Augen schloß. Sie würde ihn unterdrücken, schwor sie sich, würde ihn unterdrücken, bis sie mit ihrer Geschichte am Ende war.
    »Eines Morgens – es war inzwischen Spätsommer, und man wurde immer wieder von Regenschauern überrascht – fühlte sich Kate nicht wohl. Sie beschloß, im Bett zu bleiben, ein bißchen zu lesen und es sich gemütlich zu machen, während ich das Gefühl hatte, daß es noch so viele Orte zu sehen gab, so daß ich den Wagen nahm und ziellos durch die Gegend fuhr, bis ich zufällig bei den Klippen von Loop Head landete. Als ich aus dem Wagen stieg, hörte ich das Krachen der Wellen und das Rascheln des Grases im Wind. Die Luft war vom Geruch des Meeres und des Regens erfüllt, und ich genoß die berauschende Gewalt der Natur.
    Dann sah ich einen Mann«, fuhr sie langsam fort, »der am Rand der Klippen stand und über das Wasser nach Westen in Richtung Amerika zu blicken schien. Er war ganz allein, stand da mit hochgezogenen Schultern, eine tropfnasse Mütze ins Gesicht gezogen, drehte sich um und lächelte mich an. Es war, als hätte er nur auf mich gewartet.«
    Mit einem Mal wäre Shannon am liebsten aufgestanden und hätte ihrer Mutter gesagt, daß es Zeit für ein kurzes Schläfchen sei, nur damit sie nicht mehr hören mußte. Ihre Hände hatte sie unbewußt zu Fäusten geballt, und sie spürte, wie sich ihr furchtsam der Magen zusammenzog.
    »Er war nicht jung«, fuhr Amanda leise fort. »Aber er sah gut aus, und seine Augen schauten irgendwie traurig und verloren drein. Er lächelte und sagte guten Morgen und was für ein schöner Tag es doch sei, während uns der Regen auf den Kopf und der Wind ins Gesicht schlug. Ich lachte, denn irgendwie war es tatsächlich ein schöner Tag. Und obgleich der melodiöse westirische Tonfall inzwischen nichts Neues mehr für mich war, war ich von seiner Stimme wie gebannt. Also standen wir da und unterhielten uns über meine Reise, über Amerika. Er sagte, er wäre Farmer. Ein schlechter Farmer, und das täte ihm leid, denn er hätte zwei kleine Töchter, die es zu versorgen galt. Aber als er von den Mädchen sprach, verlor sein Gesicht alle Traurigkeit. Seine Maggie Mae und seine Brie, nannte er sie. Von seiner Frau sprach er kaum.
    Dann kam die Sonne hervor.« Amanda stieß einen Seufzer aus. »Langsam und wunderbar, als strömte sie in kleinen goldenen Bächen zwischen den Wolken hindurch. Wir spazierten über die schmalen Pfade und unterhielten uns, als hätten wir uns bereits ein Leben lang gekannt. Und dort oben auf den hohen, gewaltigen Klippen verliebte ich mich in ihn. Es hätte mir angst machen sollen.« Sie streckte zögernd die Hand nach Shannon aus. »Und es hat mich beschämt, denn schließlich war er ein verheirateter Mann und obendrein noch der Vater zweier Töchter. Aber ich dachte, nur ich hätte
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