Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nora Roberts

Nora Roberts

Titel: Nora Roberts
Autoren: Töchter der See
Vom Netzwerk:
obwohl sowohl deine wie auch Dads Vorfahren aus Irland stammen. Aber auch wenn ich niemals dort war, habe ich mich dem Land immer auf eigenartige Weise – verbunden gefühlt.«
    »Hast du das?« fragte Amanda sanft.
    »Ich kann es nur schwer erklären«, murmelte Shannon. Da sie nicht sonderlich romantisch veranlagt war, kam sie sich ein wenig närrisch vor, und so lächelte sie. »Ich habe mir immer gesagt, falls ich je einen längeren Urlaub machen würde, dann dort. Aber nach meiner Beförderung und mit dem neuen Aufgabenbereich ...« Sie zuckte mit den Schultern, denn allein der Gedanke an einen längeren Urlaub war absurd. »Trotzdem, ich erinnere mich noch daran, daß du immer, wenn ich vorschlug, einmal nach Irland zu fliegen, den Kopf geschüttelt und gesagt hast, es gäbe so viele andere Länder zu sehen.«
    »Ich ertrug den Gedanken an eine Rückkehr einfach nicht, und dein Vater hatte Verständnis dafür.« Amanda preßte die Lippen zusammen und sah ihre Tochter aufmerksam an. »Bitte bleib hier und hör mich an. Und oh, versuch bitte, bitte, mich zu verstehen.«
    Shannon spürte, wie ihr eine neue Angst den Rücken hinaufzukriechen begann. Was konnte schlimmer sein als der Tod, überlegte sie. Und weshalb fürchtete sie sich vor dem, was ihrer Mutter offenbar so wichtig war?
    Aber sie blieb sitzen und nahm behutsam Amandas Hand. »Du bist erregt«, sagte sie. »Und du weißt, daß du dich nicht aufregen darfst.«
    »Und daB ich mir schöne Gedanken machen soll«, fügte Amanda, die Spur eines Lächelns auf den Lippen, hinzu.
    »Es kann funktionieren, daß der Geist über die Materie siegt. So vieles, was ich darüber gelesen habe ...«
    »Ich weiß.« Nun hatte sich selbst die Spur des Lächelns gelegt. »Als ich ein paar Jahre älter war, als du es jetzt bist, bin ich mit einer guten Freundin – ihr Name war Kathleen Reilly – nach Irland gereist. Es war ein großes Abenteuer für uns. Wir waren erwachsene Frauen, aber wir kamen aus sehr strengen Familien. Ich wuchs so behütet auf, daß ich über dreißig war, als ich endlich den Mut fand, etwas so Verwegenes zu tun.«
    Sie drehte den Kopf, um Shannon anzusehen, während sie sprach. »Du kannst das sicher nicht verstehen. Du warst immer schon so selbstsicher und mutig. Aber als ich in deinem Alter war, hatte ich noch nicht einmal begonnen, mich aus der anerzogenen Feigheit zu befreien.«
    »Du warst nie feige.«
    »Oh doch«, sagte Amanda leise. »Das war ich. Meine Eltern waren streng katholische Iren, so selbstgerecht, wie wenn man drei Päpste zusammennimmt. Ihre größte Enttäuschung – mehr aus Gründen des Prestiges als der Religion – war, daß keins ihrer Kinder zu einem Kirchenamt berufen war.«
    »Aber du warst ein Einzelkind«, unterbrach Shannon sie. »Das war eine der Lügen, mit denen ich durchs Leben gegangen bin. Ich habe dir erzählt, ich hätte keine Familie, habe dich glauben gemacht, daß es auf meiner Seite niemanden gibt. Aber ich hatte zwei Brüder und eine Schwester, zu denen allerdings seit meiner Schwangerschaft keinerlei Kontakt mehr bestand.«
    »Aber warum ...« Shannon unterbrach sich. »Tut mir leid. Sprich nur weiter.«
    »Du warst schon immer eine gute Zuhörerin. Das hast du von deinem Vater gelernt.« Sie machte eine Pause, dachte an Colin und betete, daß sie das Richtige für alle tat. »Wir standen einander nie sehr nahe, Shannon. Bei uns zu Hause herrschte – Steifheit, Starrheit, alles wurde von strengen Regeln bestimmt. Erst nach langen Auseinandersetzungen machte ich mich zusammen mit Kate auf den Weg. Als die Reise losging, war ich aufgeregt wie ein kleines Mädchen bei seinem ersten Picknick. Zuerst sind wir nach Dublin geflogen, und dann sind wir einfach der Landkarte und unseren Nasen gefolgt. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich frei.«
    Es fiel ihr so leicht, sich an alles zu erinnern, stellte Amanda fest. Obwohl sie jede Erinnerung an diese Reise jahrelang unterdrückt hatte, tauchte alles so klar und rein wie Wasser vor ihrem geistigen Auge wieder auf. Kates Gekichere, das Husten des winzigen Autos, das sie gemietet hatten, jede Stelle, an der sie falsch, und jede, an der sie richtig abgebogen waren.
    Das Staunen beim Anblick der sanften Hügelketten, durch die man in Richtung der überwältigenden Klippen an der Westküste fuhr. Das unerwartete und niemals wieder empfundene Gefühl, nach Hause gekommen zu sein.
    »Wir wollten soviel wie möglich sehen, und als wir in den Westen kamen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher