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Nora Roberts

Nora Roberts

Titel: Nora Roberts
Autoren: Töchter der See
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muß Angst gehabt haben, verzweifelt gewesen sein. Bestimmt. Aber trotzdem schreibt sie in einem so ruhigen Ton, der ihn nicht wissen, ja noch nicht einmal ahnen läßt, wie es ihr tatsächlich geht.«
    Als sie den Brief wieder zusammenfaltete, nahm Maggie ihn ihr ab. »Vielleicht hat sie einfach Zeit gebraucht, um darüber nachzudenken, was sie tun sollte, welche Möglichkeiten sie hatte. Nach allem, was Rogans Mann herausgefunden hat, scheint ihr ihre Familie ja keine große Hilfe gewesen zu sein.«
    »Nein. Als sie ihnen beichtete, daß sie schwanger war, bestanden sie darauf, daß sie fortgehen und mich weggeben sollte, da nur auf diese Weise ein Skandal zu vermeiden war. Aber das hat sie nicht getan.«
    »Sie wollte dich«, stellte Brianna fest.
    »Ja, sie wollte mich.« Shannon öffnete den letzten Brief, und was sie las, brach ihr das Herz. Wie hatte ihre Mutter eine solche Freude empfinden können, überlegte sie. Egal, wieviel Angst und Sorge sie zwischen den Zeilen zu lesen meinte, drückte das Geschriebene doch zugleich unmißverständliche Freude aus. Ja, mehr noch, ihre Mutter verwarf jeden Gedanken an Scham – die doch von einer unverheirateten Frau erwartet wurde, wenn sie von einem verheirateten Mann ein Kind bekam.
    Es war offensichtlich, daß sie ihre Wahl getroffen hatte, ehe sie den Brief begann. Ihre Familie hatte ihr mit Enterbung gedroht, doch das hatte sie nicht geschreckt. Sie hatte ihr Erbe und alles, was sie zuvor gekannt hatte, für das Kind, das sie unter ihrem Herzen trug, riskiert.
    »Sie hat ihm erklärt, sie wäre nicht allein.« Shannons Stimme zitterte. »Aber das war gelogen. Sie war allein. Sie mußte nach Norden gehen und sich eine Arbeit suchen, denn ihre Familie hatte sie tatsächlich verstoßen und dafür gesorgt, daß sie noch nicht einmal mehr ihr eigenes Geld bekam. Sie hatte nichts.«
    »Sie hatte dich«, verbesserte Brianna. »Und etwas anderes wollte sie nicht. Sie hat dich gewählt.«
    »Aber sie hatte ihn nie gebeten, zu ihr zu kommen oder zuzulassen, daß sie wieder nach Irland kam. Sie hat ihm nie eine Chance gegeben, ihm nur erklärt, sie wäre schwanger, sie liebe ihn und sie ginge fort.«
    »Sie hat ihm eine Chance gegeben.« Maggie legte eine Hand auf Shannons Schulter. »Die Chance, den Kindern, die er bereits hatte, ein Vater zu sein und zu wissen, daß er ein weiteres Kind bekam, das geliebt und gut versorgt sein würde, auch wenn er nicht mit ihm zusammen war. Vielleicht hat sie ihm einfach eine Entscheidung abgenommen, die zu treffen ihm selbst unmöglich war. Ich denke, sie hat es für ihn und für dich und vielleicht sogar für sich selbst getan.«
    »Sie hat nie aufgehört, ihn zu lieben.« Sie faltete den Brief zusammen und schob ihn in den Umschlag zurück. »Noch nicht einmal aufgrund der Liebe, die sie für meinen Vater empfunden hat, hat sie damit aufgehört. Er war in ihren Gedanken, als sie starb, ebenso wie sie bei seinem Tod in seinen Gedanken war. Sie beide haben etwas verloren, was manche Menschen niemals finden.«
    »Wir wissen nicht, was hätte sein können.« Brianna versah die drei Umschläge wieder mit dem verblichenen roten Band. »Ebensowenig wie wir das ändern können, was von den beiden verloren oder aber gefunden worden ist. Aber meinst du nicht, Shannon, daß wir ihnen beiden gerecht geworden sind? Indem wir hier zusammensitzen. Indem wir ihre beiden Familien zusammenführen. Indem wir dafür sorgen, daß ihre Töchter endlich Schwestern sind?«
    »Ich würde gerne denken, daß sie weiß, daß ich nicht länger wütend bin. Und daß ich anfange, sie zu verstehen.« Und dieses Verstehen, erkannte Shannon, führte dazu, daß sie endlich ihren Frieden fand. »Wenn er noch gelebt hätte, als ich kam, hätte ich versucht, ihn gern zu haben.«
    »Ich bin sicher, es hätte funktioniert.« Maggie drückte ihre Schulter.
    »Ich ebenfalls«, erkannte Shannon. »Auch wenn das im Augenblick das einzige ist, dessen ich mir sicher bin.« Abermals wurde sie von Müdigkeit übermannt, so daß sie sich von ihrem Platz erhob.
    Brianna trat neben sie und drückte ihr die Briefe in die Hand. »Die gehören dir. Sie hätte gewollt, daß du sie bekommst.«
    »Danke.« Das Papier fühlte sich so dünn an, so zart und so kostbar zugleich. »Ich nehme sie gerne, aber sie gehören uns. Am besten gehe ich in mein Zimmer hinauf. Es gibt so vieles, über das ich nachdenken muß.«
    »Nimm deinen Brandy mit.« Brianna reichte ihr das Glas. »Vielleicht legst du
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