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Nora Morgenroth: Der Hüter

Nora Morgenroth: Der Hüter

Titel: Nora Morgenroth: Der Hüter
Autoren: Kerstin Michelsen
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erledigte ich, weil Oliver ja arbeiten musste. Ich hatte gerade den PC hochgefahren und meine Manuskriptdatei aufgerufen, als das Telefon klingelte.
    Bille, verriet mir das Display.
    «Hi!», meldete ich mich und bemerkte, dass ich schon lächelte, bevor wir überhaupt das erste Wort gewechselt hatten. Ein Anruf von Bille kam mir immer recht.
    « Ich bin‘s! Störe ich gerade?»
    « Nee, gar nicht, ich wollte zwar gerade anfangen mit Schreiben. Aber das ist kein Problem. Heute wollte ich sowieso nur das überarbeiten, was ich bisher fertig habe. Also, nein, du störst ganz bestimmt nicht.»
    « Und du willst immer noch nicht verraten, worum es diesmal geht? Komm schon, nur ein klitzekleiner Hinweis», bettelte Sybille im Scherz.
    « Nein, keine Chance. Da bin ich abergläubisch. Beim ersten Mal habe ich niemandem etwas gesagt und es hat gut geklappt. Dabei bleibt es.»
    Bille kicherte.
    «Nicht mal Oliver weiß etwas? Das kannst du mir nicht erzählen.»
    « Erwischt! Aber sag mal, wie geht es dir denn? Packst du schon?»
    Ein mehrwöchiger Trip durch Südamerika stand bevor. Seitdem Bille ein Jahr in Australien verbracht hatte, war sie zu einer unternehmungslustigen Reisenden geworden, die sich gern auf waghalsige und teils strapaziöse Unternehmungen einließ. Im letzten Jahr hatte sie bei einem Trip durch Vietnam Steven kennengelernt, einen Amerikaner, der sich Hals über Kopf in sie verliebte. Bald darauf war er meiner Freundin zuliebe nach Erzfeld gezogen. Wir trafen die beiden regelmäßig und im Gegensatz zu Billes meisten bisherigen Freunden konnte ich mit Steven sogar etwas anfangen. Ich mochte ihn richtig gern und Oliver ebenfalls. Trotzdem war es mir wichtig, dass wir uns nicht nur noch paarweise trafen und ich hoffe, dass ich Sybille vor ihrer Abreise noch einmal sehen würde.
    « Du, das ist alles soweit fertig, ich meine, richtig packen werden wir erst morgen, aber die Wäsche ist gewaschen, die Pässe mit den Visa liegen bereit. Deswegen rufe ich ja auch an. Würde es dir passen, wenn ich noch auf einen Kaffee vorbei komme? Viel Zeit habe ich nicht, ich muss auch noch zu Mama und Papa, aber auf ein Stündchen oder so?»
    Ich schmunzelte. Ein Stündchen oder so liefen bei Bille und mir meistens eher auf zwei oder drei Stunden hinaus, ehe wir uns das Nötigste erzählt hatten. Aber da wir beide das wussten, konnte man entsprechend planen.
    « Nee, das ist prima. Ich freue mich, wenn du kommst. Wann kannst du denn hier sein?»
    « Warte mal … jetzt ist es neun … wie wäre es um zehn? Hast du schon gefrühstückt? Sonst kann ich Brötchen mitbringen. Ist Oliver da?»
    « Der ist schon weg. Brötchen wären prima.»
    Wir legten auf und ich ließ den Computer wieder herunterfahren. Dann würde ich eben heute Nachmittag weiter arbeiten. Oder morgen. Fast hätte ich vor Wohlbehagen geseufzt. Ich hatte es wirklich gut, konnte mir meine Zeit frei einteilen und tat eigentlich fast nur noch Dinge, die ich mochte. Ein Besuch meiner ältesten Freundin gehörte definitiv dazu.
    Ich brachte die halbleere Teekanne nach unten in die Küche und machte mich endlich daran, die Reste des gestrigen Abendessens wegzuräumen. Oliver und ich hatten es beide nicht so sehr mit der Ordnung. Wenn wir, wie am Vorabend, zusammen gekocht hatten und dann vom Essen über das Weintrinken ins Knutschen kamen und schließlich im Bett landeten, dann konnte es schon passieren, dass das Geschirr stehen blieb. So war das eben. Es gab Wichtigeres als eine aufgeräumte Küche. Zum Glück waren wir uns auch in dieser Hinsicht einig. Keiner von uns beiden war übermäßig pingelig. Aber wenn Besuch kam, dann war das doch etwas anderes. Während ich die Geschirrspülmaschine einräumte, überlegte ich, ob ich vielleicht schon so spießig war wie Mutter. Für die kam es immer nur auf den äußeren Anschein an. Ich entschied kurzerhand, dass es nicht so war und grinste vor mich hin. Natürlich war ich nicht wie Mutter! Da ich mit Bille voraussichtlich in der Küche sitzen würde, hatte ich selbst wenig Lust auf verkrustete Teller und Gläser mit Rotweinrändern zu blicken. Das war alles. Ich freute mich sehr auf meine Freundin. Nichts konnte meine gute Laune trüben, nicht einmal der Gedanke an Mutter.
    Nachdem ich die Speisereste entsorgt und das Geschirr weggeräumt hatte, wischte ich den schweren Eichentisch ab, den wir mit dem Haus zusammen übernommen hatten. Er bildete das Herzstück der geräumigen Küche, die Ausmaße hatte, wie man sie
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