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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
Autoren: Eric T. Hansen
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Nörgelns entdeckt. Wie viel mehr würde ich finden, wenn ich noch einen Anruf machte?
    Ich wandte mich an Gerhard Roth, Biologe, Leiter des Instituts für Hirnforschung an der Universität Bremen und Autor des Buches Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten: Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern , und fragte ihn, woher das Kritteln stammt.
    »Nörgeln ist eine Haltung, die von einer niedrigen Frustrationstoleranz einerseits und von einer übersteigerten Selbsteinschätzung andererseits herrührt«, erklärte Roth.
    »Sie meinen also: Nörgler sind so feinfühlig, dass sie sich bereits gestört fühlen, wenn irgendwelche Kleinigkeiten nicht klappen?«, hakte ich nach, »und zugleich so intelligent, dass sie für jedes Problem eine Lösung parat haben, selbst wenn sie vom Thema keine Ahnung haben?«
    »Das ist eine interessante Mischung«, sagte Roth. »Man sieht die Welt grundsätzlich als schlecht; alles läuft immer schief. Gleichzeitig hat man das Gefühl, man weiß immer alles besser und überschätzt die eigenen Fähigkeiten.«
    »Was wollen Sie mir damit sagen?«, fragte ich vorsichtig. Wusste der Kerl etwas über mich, was er nicht wissen sollte? »Sie reden gerade so, als ob Nörgler depressiv wären. Das macht mich traurig.«
    »Nicht depressiv«, korrigierte er mich. »Nörgler glauben, sie könnten etwas ändern, wenn man nur auf sie hören würde. Die Depressiven dagegen glauben nicht, dass sie auch nur die geringste Kleinigkeit ändern können. Sie nörgeln nicht, sie verkriechen sich in eine Ecke.«
    »Wie man Persönlichkeiten beschreibt, ist ein Riesenthema in der Psychologie«, ergänzte er. »Man kann sagen, es gibt zwei Grundtypen: Die einen gucken optimistisch in die Welt, das sind die Risk-Takers , die Risikofreudigen. Sie sind auf Belohnung aus und lassen sich durch Rückschläge nicht entmutigen. Genau das Gegenteil sind die Harm-Avoiders , die Gefahrenvermeider. Sie achten in erster Linie darauf, dass nichts schiefgeht. Sie nehmen lieber Nachteile in Kauf, als ein Risiko einzugehen. Sie kündigen ihre Arbeit nicht, weil sie befürchten, keine andere finden zu können; sie steigen nicht aus einer destruktiven Beziehung aus, weil sie Angst vor dem Alleinsein haben.«
    Und schon sprach er einen weiteren, sehr schönen Nörgelaspekt an: Nörgeln aus Angst.
    » Harm-Avoiders haben eine übersteigerte Furcht vor den Geschehnissen in der Welt und vor jeder Herausforderung«, sagte Gerhard Roth. »Einfache Aufgaben werden zu unüberwindlichen Hindernissen. Zu einem Anruf bei einer Behörde müssen sich auch ganz normale Leute überwinden, aber Harm-Avoiders rufen lieber gar nicht an. Sie denken immer nur daran, was alles zwecklos ist und was alles schiefgehen kann. Die meisten von uns liegen irgendwo zwischen den beiden Extremen in der Mitte.«
    Harm-Avoiders konnte ich gut verstehen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich persönlich bin natürlich in meinem Kiez eher als Risk-Taker bekannt.
    »In solchen Fällen – bei extremen Risk-Takers wie auch bei Harm-Avoiders  – ist der Mandelkern oder die Amygdala überaktiv«, ergänzte er.
    Ich erwiderte irgendetwas in der Art wie »hä«?
    Er erläuterte, dass die Amygdala ein mandelförmiges Zentrum in der linken sowie der rechten Gehirnhälfte ist, die mit Furcht und Angst zu tun hat. »Im Normalfall signalisiert uns die Amygdala, was bedrohlich ist. Wenn sie aber hyperaktiv ist, signalisiert sie uns, dass alles gefährlich ist.«
    Evolutionstechnisch gesehen macht die Amygdala Sinn: Sie sagt uns, wenn Gefahren drohen, und auch, wie wir uns verhalten sollen. Sie hat uns immer wieder den Arsch gerettet und maßgeblich dazu beigetragen, dass es den Menschen heute noch gibt. »Schreiend wegrennen« scheint eine ihrer erfolgreichsten Methoden zu sein.
    Stellen Sie sich vor: Der Steinzeitmann allein in seiner Höhle. In der Höhle gegenüber, das weiß er, sitzt eine junge Steinzeitlady, die einen bestimmten, sagen wir mal gebärfreudigen Ruf genießt. Sie ist die potentielle Trophäe. Gleichzeitig weiß der Steinzeitgentleman, dass irgendwo da draußen im Gebüsch ein Säbelzahntiger herumstreunt. Das ist das Risiko. Es kann sogar sein, dass das Risiko objektiv gering ist, da die Ehefrau des Steinzeitgentlemans bereits seit über 24 Stunden nicht aufgetaucht ist, und das bedeutet höchstwahrscheinlich, dass der Säbelzahntiger gerade satt ist und zufrieden schläft. Ganz sicher ist das aber nicht, denn die Steinzeitehefrau hat sich in
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