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Nördlich des Weltuntergangs

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs
Autoren: Arto Paasilinna
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45, auf der Baustelle. Eemeli freute sich, endlich brachte ihm ein kommunaler Beamter die Baugenehmigung. Doch seine Freude war verfrüht. Der Amtsleiter erklärte in offiziellem Ton, dass die Baugenehmigung nicht erteilt worden sei. Er sei gekommen, um den Bauherrn darüber zu informieren, zugleich verlange er, dass die Arbeiten eingestellt würden. Eemeli Toropainen kletterte mit dem Beil in der Hand vom Rohbau hinunter und ging mit dem Mann in die Sakristei, um die Sache zu besprechen.
    Räyhänsalo berichtete, dass die Gemeinde die Baugenehmigung für das »größere Wirtschaftsgebäude« befürwortete, aber als sich herausgestellt hatte, dass es sich um eine Kirche, wenn auch eine private, handelte, hatte man sicherheitshalber ein Gutachten von der Kirchenleitung und dem Umweltministerium eingeholt. Beide hatten sich strikt gegen das Bauvorhaben ausgesprochen, und so war die Gemeinde gezwungen gewesen, Eemeli Toropainens Antrag abzulehnen. Also musste er die Arbeiten abbrechen und sich um eine Ausnahmegenehmigung bemühen, ob er die allerdings bekomme, sei fraglich.
    »Am besten, Sie gründen hier eine Kirchgemeinde, holen sich einen Pastor her und gewinnen das Domkapitel, oder wie diese kirchliche Instanz nun heißt, dafür, sich um die Genehmigungen zu kümmern«, riet ihm der Amtsleiter.
    Eemeli Toropainen verlor die Geduld.
    »Verflixt! Ich habe keine Zeit, eine Gemeinde zu gründen oder einen Pastor einzustellen.«
    Wie dem auch sei, eine private Stiftung durfte nicht einfach ohne Erlaubnis eine eigene Kirche in der Wildnis errichten. Sogar die Fassadenkommission der Gemeinde hatte protestiert. Dazu war das Vorhaben frevlerisch, weil der alte Kirchenbrandstifter Asser Toropainen dahinter steckte. Man konnte den Kirchenbau sogar als Gotteslästerung bezeichnen, trotz der Tatsache, dass der Lästerer inzwischen gestorben und begraben war.
    Eemeli Toropainen fragte den Amtsleiter in scharfem Ton, ob es im Baugesetz einen speziellen Paragraphen über Gotteslästerung gebe.
    »Nicht direkt, und darum geht es hier im Grunde auch gar nicht. Dennoch: Wenn Sie die Bauarbeiten nicht einstellen, muss ich die Polizei einschalten«, erklärte der Mann, während er sich zum Gehen wandte. Eemeli Toropainen begleitete ihn mit dem Beil in der Hand zum Auto. Der Amtsleiter fuhr vom Gelände, als gelte es, die Spezialstrecke einer Rallye in Angriff zu nehmen.
    Kurz darauf traf ein Taxi ein, dem Eemelis Ex-Frau Henna Toropainen geborene Leskelä, entstieg. Sie traf ihren Mann in ziemlich erregtem Gemütszustand an. Nachdem sie vom Fahrer ein paar Koffer entgegengenommen hatte, trat sie zu Eemeli, um ihn zu begrüßen. Scheu gab sie ihm einen Kuss und umarmte ihn. Dann bat sie ihn, das Beil aus der Hand zu legen.
    Eemeli fragte, warum sie gekommen sei, ob sie zu Hause in Vääksy Langeweile habe.
    »Du hast mich doch selbst am ersten Mai angerufen und mich angefleht, zu Mittsommer hier herauszukommen und mir die Baustelle anzusehen. Und morgen ist Mittsommerabend. Ich kann allerdings auch wieder wegfahren, wenn man mich hier mit dem Beil bedroht.«
    Ein kleiner nebelhafter Erinnerungsfetzen tauchte in Eemeli Toropainens Gehirn auf. Am ersten Mai in Nurmes war es… ja, was war eigentlich gewesen? Er wusste nicht mehr viel von dem Tag. Er hatte also seine Ex-Frau angerufen? Nun, ein Mann steht zu seinem Wort.
    Eemeli wies den Gehilfen Taneli Heikura an, das Gepäck seiner Frau in die Sakristei zu tragen. Routiniert richtete sie sich dort ein, sie machte das Feldbett zurecht und stellte ihren Schminkkoffer und die anderen persönlichen Sachen in den Schrank, der in die hintere Wand eingebaut war. Dann entnahm sie ihrer Handtasche einen Reisespiegel, den sie schräg auf das Fensterbrett stellte. Geübt zog sie die Lippen nach, stäubte sich ein wenig Puder auf die Wangen und kam dann wieder heraus, um zu bewundern, was ihr Ex-Mann zuwege gebracht hatte.
    Eemeli ging eigens mit ihr die hundert Meter zum Seeufer hinunter, damit sie aus der Entfernung den Bau in seiner ganzen Schönheit betrachten konnte. Er erklärte ihr die Details und erzählte ihr von dem ostbottnischen Kirchenbauer Antti Hakala, der ihm die Vorlage geliefert hatte.
    »Diese Kirche wird etwas kleiner als die von Kuortane, aber dafür hat sie geradere Wände.«
    Bis zum Abend arbeiteten alle fleißig, und dann bereiteten sie sich darauf vor, am nächsten Tag Mittsommer und den im Rohbau fertig gestellten Tempel des Herrn zu feiern. Als Herr galt in diesem
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