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Noch Einmal Sollst Du Buessen

Noch Einmal Sollst Du Buessen

Titel: Noch Einmal Sollst Du Buessen
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Edelholz, antike Lampen, alte Radierungen, im Kontrast dazu moderne Plastiken und mit weichem Leder bezogene Möbel. Angrenzend ans Büro ein riesiges Bad mit einem Whirlpool. Es führte in ein noch größeres Schlafzimmer, Montgomerys Refugium, wenn der Arbeitstag zu lang war, um nach Hause zu fahren.
    Victor nahm den Telefonhörer ab und drückte eine Taste. „Kate!“, bellte er in den Hörer, „sag den Zwei-Uhr-Termin mit Ferguson ab – nein, warte, verschieb ihn auf morgen. Bestell Ferguson, dass wir uns am Bauplatz treffen können, um …“ Er blätterte den Kalender um und fuhr mit dem Finger über die nächste Seite. „Um zehn Uhr dreißig.“ Mit einem ärgerlichen Blick zu Marnie fügte er hinzu: „Erklär ihm, dass etwas Wichtiges dazwischengekommen ist.“
    Marnie wich seinem vorwurfsvollen Blick aus und wandte den Kopf zum Fenster. Hinter der gezackten Silhouette der himmelhochragenden Bürohäuser sah man hier und da das graue Wasser des Puget-Sunds durchschimmern. Dicke bleifarbene Regenwolken verdeckten die Sonne. Ein Flugzeug, das in Richtung Norden aufstieg, verschwand in den tief hängenden Wolken.
    Marnie hörte, wie ihr Vater den Hörer aufknallte. „Okay, gehen wir.“ Er knüllte den Kündigungsbrief zusammen und warf ihn in den Papierkorb.
    „Können wir uns nicht hier unterhalten?“
    Victor griff nach seinem Schlüsselbund und schüttelte den Kopf. „Lieber nicht.“
    Jetzt begriff Marnie. Während sie in ihren Mantel schlüpfte, fragte sie: „Glaubst du etwa noch immer, dass du Spione in der Firma hast?“
    „Man kann nie wissen.“
    „Ich dachte, das Thema wäre erledigt, seit du Adam Drake entlassen hast.“
    Ihr Vater stülpte sich einen Hut auf den Kopf. „Und ich dachte, du wärest von seiner Unschuld überzeugt.“
    „Drake war nicht schuldig. Er ist nicht verurteilt worden, oder hast du das vergessen?“
    „Er hatte eben einen verdammt guten Anwalt“, brummte Victor und zog sein Jackett von der Stuhllehne. „Aber das ist vorbei und erledigt.“
    „Warum bist du dann noch immer so misstrauisch? Das grenzt ja schon an Verfolgungswahn.“
    „Verfolgungswahn!“, brauste Victor auf. „Ich bin nur vorsichtig. Komm, ich muss zum Hafen runter. Die Reparaturarbeiten an der ‚Vanessa‘ gehen mir zu langsam voran. Wir können uns unterwegs unterhalten.“
    „Okay“, murmelte sie und gab sich größte Mühe, beherrscht zu bleiben. „Aber du kannst doch meine Kündigung nicht einfach in den Müll werfen und so tun, als wäre damit alles vergessen. Ich meine es ernst, Dad.“
    „Du weißt nicht, was du willst.“
    „Da irrst du dich“, erwiderte sie ruhig.
    Ihr fester Ton schien ihn zu überraschen, und er musterte sie aufmerksam. Zum ersten Mal, seit er das Büro betreten hatte, schien er die Veränderung an ihr zu bemerken. Sein Mund verspannte sich unmerklich, und sein Gesicht wurde unter der Sommerbräune einen Ton blasser. „Lass uns gehen“, sagte er, und jetzt sprach er bedeutend leiser.
    In gespanntem Schweigen gingen sie über den Hotelkorridor zum Fahrstuhl. Marnie musste sich zwingen, sich vom Ärger ihres Vaters nicht einschüchtern zu lassen. Victor Montgomery war einer jener Männer, die schon von ihrem Äußeren her Autorität ausstrahlten. Er war ein stattlicher, gut aussehender Mann mit markanten Gesichtszügen. Seine Augen waren von einem intensiven Blau, sein Mund energisch und fest, seine Nase aristokratisch. Für einen fast Sechzigjährigen war sein weißes Haar noch ungewöhnlich voll, und sein schlanker, durch Sport fit gehaltener Körper zeigte nur um die Taille herum eine Spur von Fettpolstern.
    Victor Montgomery, Herrscher über ein riesiges Imperium, war ein Mann, der von seinen Leuten Loyalität verlangte und Rebellion nicht duldete. Er war auch ein impulsiver, temperamentvoller Mann, und im Moment schäumte er.
    „Ich möchte wissen, was in dich gefahren ist“, platzte er los, als die Fahrstuhltür sich lautlos schloss und die Kabine in atemberaubendem Tempo die sechzehn Stockwerke zur Tiefgarage hinabglitt.
    „Gar nichts ist in mich gefahren“, wehrte sie sich. „Ich finde, es ist Zeit, dass ich endlich auf eigenen Füßen stehe.“
    „Auf einmal?“
    Sie warf ihm einen Blick zu. „So plötzlich kommt es gar nicht. Ich trage mich schon lange mit dem Gedanken.“
    „Tatsächlich? Wahrscheinlich seit der Geschichte mit Drake“, mutmaßte er, und in seiner Stimme lag Abscheu.
    „Nein, schon vorher“, versicherte sie ihm, obwohl
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