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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben
Autoren: Robert Silverberg
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akzeptieren, aber ich wünschte, du würdest das erstere nicht mehr abstreiten.“
    „Heute läßt du aber deine ganze Gemeinheit heraus, Risa.“
    „Ich möchte mich heute auch exponieren, sowohl körperlich als auch geistig. Nichts soll mehr verborgen bleiben.“ Matt nahm sich Risa einen zweiten Drink; dann, als wäre es ihr gerade eingefallen, bot sie auch ihrem Vater ein Tablett an. Als sie die Kapselspitze gegen ihre blasse Haut preßte, sagte sie: „Willst du nun die Einwilligung zu meinem Antrag geben oder nicht?“
    „Laß uns die Sache noch bis zum Juli aufschieben, ja? Der Markt ist dieser Tage so durcheinander …“
    „Der Markt ist immer durcheinander, und außerdem hat er in keinster Weise etwas mit meiner Transplantation zu tun. Heute haben wir den 11. April. Falls du nicht einwilligst, werde ich ein uneheliches Kind zur Welt bringen – so um den 11. Januar herum.“
    Mark keuchte. „Bist du schwanger?“
    „Nein, aber in drei Stunden werde ich es sein, wenn du nicht meinen Antrag unterschreibst. Wenn ich keine Transplantation erleben kann, werde ich eben eine Schwangerschaft erleben – und einen Riesenskandal.“
    „Du Teufelin!“
    Risa befürchtete, ihren Vater damit zu weit getrieben zu haben. Dies war nicht mehr und nicht weniger als eine brutale Drohung, und Mark ging gewöhnlich nicht allzu freundlich auf so etwas ein. Aber sie hatte die Sache auch ziemlich gründlich vorausgeplant und darin seine Anerkennung für ihre ererbte Rücksichtslosigkeit als unverzichtbaren Faktor zu ihren Gunsten einberechnet. Sie entdeckte, wie sich ein Lächeln in seinen Mundwinkeln breitmachte und wußte, daß sie gewonnen hatte. Mark schwieg einen langen Augenblick. Sie wartete, um ihm großzügig zu erlauben, sich mit seiner Niederlage abzufinden.
    Endlich sagte er: „Wo ist der Antrag?“
    „Durch einen puren Zufall …“
    Sie reichte ihm das Formular. Er überflog das Blatt, ohne es wirklich zu lesen und kritzelte widerwillig seine Unterschrift darunter. „Komm mir jetzt bloß nicht auch noch mit Babies, Risa.“
    „Das hatte ich auch nie vor. Außer, du hättest mich zu meinem Bluff gezwungen. Dann hätte ich es natürlich auf mich nehmen müssen. Allerdings steht mir eher der Sinn nach einer Transplantation – ganz ehrlich.“
    „Dann hol sie dir. Was habe ich da nur für eine Hexe großgezogen?“
    „Das steckt alles in den Genen, mein Lieber. Jahrhundertelange Zucht.“ Sie steckte das wertvolle Papier ein, und beide standen auf. Sie ging auf ihn zu. Ihre Arme glitten um seinen Hals; sie preßte ihre weiche Wange an seine. Er war nur wenige Zentimeter größer als sie. Mark umarmte sie ebenfalls ganz fest, und sie streifte seine Lippen mit ihren. Risa spürte, wie er erschauerte, und wußte, daß das von seiner unterdrückten Begierde stammte. Sie ließ ihn los und flüsterte ihm leise ihren Dank zu.
    Er ging hinaus.
    Risa lachte und klatschte in die Hände. Ihre Robe fiel zu Boden, und sie sprang vor Freude nackt auf dem dicken weinroten Teppich herum. Eine Drehung brachte sie direkt von Angesicht zu Angesicht vor das Bildnis des Paul Kaufmann, das direkt über dem Kaminsims hing. Porträts von Onkel Paul gehörten zur Standardausstattung jeder Wohnung, die von einem Kaufmann bewohnt wurde. Risa hatte auch gar nichts dagegen gehabt, das Bildnis ihrer Wohnungseinrichtung hinzuzufügen, denn natürlich hatte sie den schlauen alten Fuchs fast genauso innig geliebt wie seinen Neffen, ihren Vater. Das Porträt war dreidimensional und einige Jahre zuvor anläßlich Pauls siebzigsten Geburtstages gemacht worden. Sein großes, gesundes Gesicht hob sich von einem ornamentalen Hintergrund in Grün und Bronze ab. Risa warf einen Blick auf die tiefliegenden grauen Augen, die schmalen Lippen, das kurzgeschnittene Haar und die lange Nase mit ihrer stumpfen Spitze. Es war das typische Kaufmann-Gesicht, das Macht verkündete.
    Sie blinzelte Onkel Paul zu.
    Und es kam ihr so vor, als würde Onkel Paul ihr zuzwinkern.
     
    Mark Kaufmann fuhr mit dem Aufzug ein Stockwerk hinunter zu seiner Wohnung, erreichte die Vorhalle und preßte seinen Daumen auf das Türschloß. Er trat ein. Aus der Vorhalle führten strahlenförmig drei Korridore, entlang derer sich die Zimmer seiner Wohnung befanden. Der linke enthielt die Räume, in denen er die Geräte und Büros untergebracht hatte, die er für seinen Job benötigte. Der rechte bestand aus seinen Privaträumen. Und direkt geradeaus, unmittelbar unter dem
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