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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut
Autoren: H Dunmore
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werde ich das Gesicht dieses Bullen vor mir sehen. Hinter ihm sinkt Rogers Körper wie ein kaputtes Spielzeug langsam in die Tiefe. Rufie … das Beste in meinem Leben…
    Plötzlich höre ich eigentümliche Klänge. Sie erinnern an Musik. Silben, die sich zu einem wundervollen Muster verbinden, wie ein Puzzle in vier Dimensionen. Klänge, denen man für immer lauschen möchte, hat man sie erst einmal wahrgenommen.

    Die Schnurrhaare des Bullen zittern. Seine Augen wandern zu Conor hinüber.
    Auch ich schaue meinen Bruder an. Seine bläulichen Lippen sind geöffnet, doch seine trüben Augen halb geschlossen. Sein Kopf kippt nach hinten. Er kann sich kaum bewegen, doch er kann singen. Alle Kraft, die ihm verblieben ist, fließt als Gesang aus seinem Mund. Conor singt und die Robben hören ihm zu. Der Bulle und all seine Gefährten lauschen. Langsam heben sie ihre Köpfe. Ihre Körper entspannen sich. Die Augen des Bullen sind mir so nah, dass ich erkenne, wie sie einen träumerischen Ausdruck annehmen.
    » Conor, auch du verfügst über besondere Kräfte. Zweifle nicht daran. Es wird die Zeit kommen, um sie zu gebrauchen. «
     
    Es dauert nur wenige Sekunden. Noch ehe Conor seinen Gesang beendet hat, ist eine Robbe abgetaucht und hat sich Roger geschnappt. Ihre Zähne packen seinen Taucheranzug, doch selbst aus dieser Entfernung erkenne ich, dass sie ihren Mund weich gemacht hat – so wie Poppy, wenn sie ihre Welpen im Nacken packt. Sie tut ihm nicht weh. Eine andere Robbe hat sich des zweiten Tauchers angenommen. Sie bringen die schlaffen Körper zu dem Bullen. Die Köpfe der Taucher hängen herab. Sie müssen bewusstlos sein.
    Doch der Bulle scheint überhaupt keine Notiz von dem zu nehmen, was die Robben ihm da bringen. Den Blick starr auf Conor gerichtet, öffnet er sein Maul und antwortet mit seinem eigenen Gesang, der Conors Gesang ähnelt wie der eines Bruders. Und diesmal kann auch ich den Robbengesang hören. Vielleicht komplettiert er das Puzzle in vier Dimensionen, mit dem Conor begonnen hatte. Als der Gesang
endet, schüttelt der Bulle seine massigen Schultern. Die anderen Robben sind verschwunden, abgesehen von den beiden, die sich um die Taucher kümmern. Der Bulle ruft ihnen etwas zu, worauf sie zur Oberfläche emporstreben. Ihre Bewegungen sind dabei so sanft, als seien die Taucher so zerbrechlich wie Eier.
    Die Beine der Männer hängen schlaff herunter, ihre Körper zeigen keinerlei Regung, die Köpfe baumeln hin und her. Vielleicht ist es zu spät. Vielleicht sind sie nicht bewusstlos, sondern schon tot.
    »Das Boot ist da vorne«, keucht Conor. »Wir müssen sie an Bord hieven. Die Robben können das nicht tun.«
    »Werden die Robben das zulassen?«
    »Ja.«
     
    Es kommt mir wie ein ewiger Albtraum vor. Mühselig kämpfen wir uns nach oben, während der Druck des Wassers auf uns lastet. Conor hängt schwer an meinem Handgelenk und kann kaum noch atmen. Würden sich die Robben nicht um Roger und Gray kümmern, hätten wir keine Chance, sie je an die Oberfläche zu befördern. Das Gewicht der Taucher ist furchtbar. Wir drücken sie nach oben, doch sofort sinken sie uns wieder entgegen. Wie sollen wir sie jemals ohne Hilfe ins Boot befördern? Conor wird mit jeder Sekunde schwächer. Er bekommt nicht genug Sauerstoff, obwohl er sich an mein Handgelenk klammert.
    Die Robben sind uns nicht mehr feindlich gesonnen, scheinen aber der Meinung zu sein, dass ihr Job erledigt ist. Sie schieben uns Roger und Gray entgegen, als wollten sie sagen: Den Rest müsst ihr schon allein erledigen. Sie überlassen uns die Taucher. Sie haben ihre Pflicht getan und
Limina verteidigt. Der Robbenbulle ruft ein letztes Mal durch das Wasser, worauf auch die anderen beiden kehrtmachen und dem Riff entgegenschwimmen. Unter dem Gewicht der beiden Taucher sinken wir sofort ein wenig. Conor hat keine Kraft mehr.
    »Höchste Zeit, Conor aus Indigo fortzubringen«, sagt eine ruhige, vertraute Stimme hinter mir. Ich drehe mich um und sehe Faro. Und nicht nur Faro, sondern auch ein Mädchen, das mir bekannt vorkommt, obwohl ich sie erst einmal aus der Entfernung gesehen habe. Ein Mädchen mit dunklen, langen Haaren, die sie wie Seegras umfließen und ihr bis unter die Taille reichen, wie bei mir. Ihre Augen sind von demselben kühlen Grün wie bei Faro.
    »Elvira … «, entfährt es Conor wie ein Seufzen.
    »Schnell, Sapphire«, sagt Faro, »schieb ihn mit aller Kraft nach oben. Du schaffst es. Conor muss an die Luft. Elvira und
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