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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika
Autoren: Stefanie Zweig
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mir auch.«
    »Wie kommst du auf Rummler?« fragte Mama. »Das war doch der Kreisleiter in Leobschütz.«
    »Ach, Jettel, wir brauchen unsere Spiele. Jetzt können wir den ganzen Tag Rummler, du Mistkerl, rufen und uns freuen, daß uns keiner verhaften kommt.«
    Regina seufzte und streichelte den großen Kopf des Hundes, der mit seinen kurzen Ohren die Fliegen vertrieb. Sein Körper dampfte in der Hitze und roch nach Regen.
    Papa sagte zu oft Dinge, die sie nicht verstand, und wenn er lachte, kam nur ein kurzer heller Ton, der nicht wie Owuors Gelächter vom Berg zurückprallte. Sie flüsterte dem Hund die Geschichte vom verwandelten Reh zu, und er schaute in die Richtung von Suaras Stall und begriff sofort, wie sehr sich Regina einen Bruder wünschte.
    Sie ließ sich vom Wind die Ohren streicheln und hörte, daß ihre Eltern immer wieder Rummlers Namen nannten, aber sie konnte sie nicht richtig verstehen, obwohl die Stimmen sehr deutlich waren. Jedes Wort war wie eine Seifenblase, die sofort platzte, wenn man nach ihr greifen wollte.
    »Rummler, du Mistkerl«, sagte Regina schließlich, doch erst als die Gesichter ihrer Eltern so hell wurden wie Lampen mit einem frischen Docht, erkannte sie, daß die drei Worte ein Zauberspruch waren.
    Regina liebte auch Aja, die kurz nach Rummler auf die Farm gekommen war. Sie stand eines Morgens vor dem Haus, als die letzte Röte vom Himmel verschwand und die schwarzen Geier auf den Dornakazien den Kopf unter den Flügeln hervorholten. Aja war das Wort für Kinderfrau und schon deshalb schöner als andere, weil es sich ebensogut vorwärts wie rückwärts sprechen ließ. Aja war, genau wie Suara und Rummler, ein Geschenk von Owuor.
    Alle reichen Familien auf den großen Farmen mit tiefen Brunnen auf den Rasenflächen vor den mächtigen Häusern aus weißem Stein hatten eine Aja. Ehe Owuor nach Rongai gekommen war, hatte er auf so einer Farm bei einem Bwana gearbeitet, der sich ein Auto und viele Pferde hielt und natürlich eine Aja für seine Kinder.
    »Ein Haus ohne Aja ist nicht gut«, hatte er an dem Tag gesagt, als er die junge Frau von den Hütten am Ufer des Flusses anbrachte. Die neue Memsahib, der er beigebracht hatte, »senta sana« zu sagen, wenn sie danken wollte, hatte ihn mit ihren Augen gelobt.
    Ajas Augen waren so sanft, kaffeebraun und groß wie die von Suara. Ihre Hände waren zierlich und an den Innenflächen weißer als Rummlers Fell. Sie bewegte sich so schnell wie junge Bäume im Wind und hatte eine hellere Haut als Owuor, obgleich beide zum Stamm der Jaluo gehörten. Wenn der Wind an dem gelben Umhang riß, der an einem dicken Knoten auf Ajas rechter Schulter lag, schaukelten die festen kleinen Brüste wie Kugeln an einem Strick. Aja wurde nie böse oder ungeduldig. Sie sprach wenig, aber die kurzen Laute, die sie aus ihrer Kehle ließ, klangen wie Lieder.
    Lernte Regina von Owuor das Sprechen so gut und schnell, daß sie sehr bald von den Menschen besser verstanden wurde als ihre Eltern, so brachte Aja das Schweigen in ihr neues Leben. Jeden Tag nach dem Mittagessen saßen die zwei im runden Schattenfleck vom Dornenbaum, der zwischen dem Haus und dem Küchengebäude stand. Dort konnte die Nase besser als irgendwo sonst auf der Farm den Duft von warmer Milch und gebratenen Eiern jagen. Waren die Nase satt und die Kehle feucht, rieb Regina ihr Gesicht leicht am Stoff von Ajas Umhang. Dann hörte sie zwei Herzen klopfen, ehe sie einschlief. Sie wachte erst auf, wenn die Schatten lang wurden und Rummler ihr Gesicht leckte.
    Es folgten die Stunden, in denen Aja aus langen Gräsern kleine Körbe flocht. Ihre Finger rissen kleine Tiere mit winzigen Flügeln aus dem Schlaf, und nur Regina wußte, daß es Luftpferde waren, die mit ihren Wünschen zum Himmel flogen. Aja machte beim Arbeiten kleine, schnalzende Laute mit der Zunge, aber sie bewegte dabei nie die Lippen.
    Die Nacht hatte auch ihre immer wiederkehrenden Geräusche. Sobald es dunkel wurde, heulten die Hyänen, und von den Hütten drangen Gesangsfetzen herüber. Selbst im Bett fanden Reginas Ohren noch Nahrung. Weil die Wände im Haus so niedrig waren, daß sie nicht bis zum Dach reichten, hörte sie jedes Wort, das ihre Eltern im Schlafzimmer sprachen.
    Auch wenn sie flüsterten, waren die Laute so deutlich wie die Stimmen vom Tage. In guten Nächten klangen sie schläfrig wie das Summen der Bienen und Rummlers Schnarchen, wenn er mit nur wenigen Bewegungen seiner Zunge den Napf geleert hatte. Es gab aber
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