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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika
Autoren: Stefanie Zweig
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Tanger. Wenn die Post sich nach meinen Berechnungen richtet, müßte er Dich gut dort erreichen. Um Dir nach Nizza zu schreiben, wäre die Zeit zu knapp gewesen. Hoffentlich bist Du nicht zu enttäuscht. Ich weiß inzwischen sehr gut, wie es ist, wenn man auf Post wartet.
    In Tanger wird Regina die ersten schwarzen Menschen sehen. Hoffentlich erschrickt unser kleiner Angsthase nicht zu sehr. Ich habe mich sehr gefreut, daß sie die Aufregungen der Abfahrt gut überstanden hat. Vielleicht haben wir sie immer für zarter gehalten, als sie ist. Wie es Dir zumute war, kann ich mir denken. Daß Deine Mutter Dich nach Hamburg begleitet hat, ist mir sehr nahegegangen. Daß ein Herz ohne Hoffnung immer noch an andere denken kann!
    Laß Dir keine grauen Haare wachsen, weil Du nun doch nicht den Eisschrank gekauft hast. Wir legen Fleisch und Butter einfach in Dein neues Abendkleid und hängen das Ganze in der prallen Sonne in den Wind. So kühlt man hier wirklich Lebensmittel, wenn auch nicht in Seidenstoffen, aber wir können es ja versuchen. Dann hast Du das Gefühl, daß so ein Abendkleid wenigstens zu etwas nutze ist. Gesterrt habe ich Bananen gekauft. Nicht ein Pfund und nicht ein Kilo, sondern einen ganzen Stamm mit mindestens fünfzig Stück. Regina wird staunen, wenn sie so etwas sieht. Von Zeit zu Zeit kommen Frauen mit riesigen Bananenstauden vorbei und bieten sie auf den Farmen an. Beim erstenmal sind alle Schwarzen zusammengelaufen und haben sich fast totgelacht, weil ich nur drei Stück kaufen wollte. Die Bananen sind sehr billig (selbst für Nebbiche) und ganz grün, aber sie schmecken wunderbar. Ich wollte, alles würde hier so gut schmecken.
    Ich glaube, Owuor freut sich, daß Ihr kommt. Mit mir war er drei Tage lang böse. Als ich nämlich endlich genug Suaheli gelernt hatte, um ganze Sätze zu bilden, habe ich ihm verraten, daß ich nicht jeden Tag den gleichen Pudding will. Das hat ihn vollkommen aus der Fassung gebracht. Immer wieder warf er mir vor, daß ich seinen Pudding schon am ersten Tag gelobt hätte. Dabei ahmte er meine schmatzenden Geräusche von unserer ersten Puddingbegegnung nach und sah mich höhnisch an. Ich stand wie ein begossener Pudel da und wußte natürlich nicht, was Abwechslung auf Suaheli heißt, falls es dieses Wort überhaupt gibt.
    Es dauert sehr lange, ehe man die Mentalität der Menschen hier versteht, aber sie sind sehr liebenswert und bestimmt auch klug. Vor allem kämen sie nie auf die Idee, Menschen einzusperren oder sie aus dem Land zu jagen. Ihnen ist es egal, ob wir Juden oder Refugees oder unglücklicherweise gleich beides sind. An guten Tagen glaube ich manchmal, daß ich mich an dieses Land gewöhnen könnte. Vielleicht haben die Schwarzen eine Medizin (heißt hier Daua) gegen Erinnerungen.
    Jetzt muß ich Dir noch von einem ganz großen Erlebnis erzählen. Vor einer Woche stand plötzlich Heini Weyl vor mir. Genau der mit dem großen Wäschegeschäft am Tauentzien-platz, den ich damals auf Vaters Rat hin aufsuchte, als ich gelöscht wurde und nicht wußte, wohin wir auswandern sollten. Heini hat mir ja damals zu Kenia geraten, weil man ja nur fünfzig Pfund pro Kopf brauchte.
    Er ist schon seit elf Monaten im Land und hat versucht, in einem Hotel unterzukommen, was jedoch nicht geklappt hat. Kellner zu sein gilt als nicht standesgemäß für Weiße, und für die besseren Positionen muß man Englisch können. Nun hat er eine Stellung als Manager (ist hier jeder, selbst ich) auf einer Goldmine in Kisumu gefunden. Seinen Optimismus hat er behalten, obwohl Kisumu ein schrecklich heißes Klima haben soll und als Malariagegend verrufen ist. Weil Rongai auf dem Weg von Nairobi nach Kisumu ist, hat Heini in einem Wagen, den er für sein letztes Geld gekauft hat, mit seiner Frau Ruth bei mir Station gemacht. Wir haben die ganze Nacht gequatscht und uns von Breslau erzählt.
    Owuor vergaß seinen Puddingärger und kam mit einem Huhn an, obwohl die ja nur für Mr. Morrison geschlachtet werden dürfen. Er behauptete, das Huhn sei ihm direkt vor die Füße gelaufen und tot umgefallen.
    Du kannst Dir gar nicht vorstellen, was Besuch auf der Farm bedeutet. Man kommt sich wie ein Toter vor, der wieder zum Leben erweckt worden ist.
    Leider haben Weyls erzählt, daß Fritz Feuerstein und die beiden Brüder Hirsch verhaftet worden sind. Wie ich aus einem Brief von Schlesingers aus Leobschütz weiß, haben sie auch Hans Wohlgemut und seinen Schwager Siegfried geholt. Ich weiß das schon
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