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Nina, so gefällst Du mir

Nina, so gefällst Du mir

Titel: Nina, so gefällst Du mir
Autoren: Berte Bratt
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ein Privatauto hatten, fuhren ihre Kinder selbst zum Ball. Da kam das Arztauto, mit dem Doktor am Steuer und fünf jungen Leuten. Dort warder Wagen von Direktor Samuelsen, den fuhr der Sohn. Er war achtzehn Jahre alt und hatte gerade seine Fahrprüfung gemacht. Sein Vater hatte ihm das Auto geliehen unter der ausdrücklichen Bedingung, daß er keinen Alkohol trinke. Und auf dieses bißchen Alkohol verzichtete er herzlich gern, wenn er dafür sagen konnte: „Nein, danke, nicht für mich, ich muß noch fahren!“
    Gleich einer glänzenden Schlange fuhren die Wagen hintereinander am Fjord entlang und weiter auf dem gewundenen Weg zur Villa Rosenhöhe hinauf, die mit ihrer Reihe erleuchteter Fenster weiß durch den Winterabend schimmerte.
    In jedem Auto klopften junge Herzen, in jedem Auto herrschte eine atemlose Erwartung. Sie hatten sich gewundert, die jungen Mädchen und Burschen, als die Einladung kam: Nanu, sie kannten doch Espetuns fast gar nicht! Dann aber berichteten die Väter, daß Herr Espetun diesen Ball sicherlich zu Ehren seines jungen Neffen gebe, damit er die Jugend von Lillevik kennenlerne.
    Da nickten die Jungen und Mädchen verständnisvoll ; denn alle wußten, daß der dunkelhaarige, zwanzigjährige junge Mann, der immer Espetuns großen Wagen fuhr, sein Neffe war. Und sie wußten, daß er im Büro der Fabrik arbeitete, und alle Menschen in Lillevik sagten: „Ja, der hat wirklich das große Los gezogen. Er wird doch wahrscheinlich mal die ganze Sache erben. Ein Jammer, daß Espetuns selber keine Kinder haben.“
    Ja, das war ein Jammer. Espetun hatte es furchtbar entbehrt und seine Frau auch. Aber nachdem vor einigen Wochen sein Neffe ins Haus gekommen war – der dunkle, hübsche Junge mit den intelligenten Augen – , schien Espetun richtig aufgelebt zu sein. Und wer nach der Ankunft des Neffen bei Espetuns im Hause gewesen war, schüttelte den Kopf und sagte, es sei ganz töricht, wie Espetun den Jungen verwöhne. Espetuns unverbrauchte väterliche Wärme konntesich jetzt ausleben. Er saß jeden Morgen neben Gunnar im Auto und ließ sich in die Fabrik fahren – mit einem Blick und einem Lächeln, wie es keiner zuvor an ihm gesehen hatte.
    Daheim in Villa Rosenhöhe ging Frau Espetun umher, nett und sanft, etwas kränklich und zart, wie sie immer gewesen war; sie gab der Köchin den Auftrag, Gunnars Leibgerichte zu kochen und Semmeln zu backen, damit der liebe Junge sie täglich frisch zum Morgenfrühstück hätte.
    Der Onkel und die Tante waren durch Gunnar auf neue Gedanken gekommen. Und sie waren darüber glücklich.
    Heute gaben sie nun zu Gunnars Ehren den Ball, einen großen, richtigen, altmodischen Ball.
    Und die siebzehnjährige Nina fuhr zu diesem Ball in einem neuen Kleid, das Herz voll glühender, strahlender Freude.
    Sie plapperten ununterbrochen, all die jungen Mädchen, die in dem größten Fremdenzimmer von Villa Rosenhöhe ihre Sachen ablegten und sich vor dem Spiegel die Nasen puderten und die Locken ordneten. Und mit viel Gekicher und gegenseitigem In-die-Rippen-Stoßen – „Nein, geh du zuerst!“ – traten sie auf den Korridor hinaus und gingen die breite, geschwungene Treppe hinunter in die Halle. Dort standen Direktor Espetun und seine Frau und begrüßten die jungen Gäste.
    „Sieh an, da haben wir ja die Nina! Du bist aber groß geworden! Seit dem ersten Weihnachtsfest in der Fabrik bist du tüchtig gewachsen. Du kennst doch Nina Löge, liebe Frau?“ O ja, Frau Espetun kannte Nina. Ihr Vater war Prokurist in der Fabrik, und Nina war auf allen Weihnachtfesten, die die Fabrik alljährlich für die Kinder der Arbeiter und Angestellten gab, mit dabeigewesen. Da redete Herr Espetun schon weiter, und mit fast väterlichem Stolz:
    „Dies ist also unser Neffe, Gunnar Wigdahl. Eigentlich ist er heute abend der Gastgeber, nicht wahr, Gunnar? Unddieses Mädchen hier ist deine Tischdame, Gunnar, Nina Löge. Ihren Vater kennst du ja von der Fabrik.“
    Da stand Nina nun vor dem schlanken jungen Mann, und ihre Hand wurde von einer schmalen, kräftigen Männerhand gedrückt. Sie blickte in sein Gesicht, und mit einemmal schlug ihr Herz schneller; und sie war verwirrt, vollständig hilflos. Es fiel ihr aber auch gar nichts ein, was sie hätte sagen können. Eine brennende Röte stieg ihr in die Wangen. Um ihren Mund lag ein zitterndes, verlegenes kleines Lächeln. Gunnar sagte ein paar Worte; sie verstand sie nicht. Sie verstand nicht einmal, was mit ihr selber vor sich ging. Erst
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