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Nimm s bitte nicht personlich

Nimm s bitte nicht personlich

Titel: Nimm s bitte nicht personlich
Autoren: Wardetzki Barbel
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führen.

Wenn wir gekränkt sind
    Die Kränkung trifft den wunden Punkt
    Die Rolle des Gekränkten kennt jeder. Sei es, dass die Kränkungserlebnisse schon lange zurückliegen, sei es, dass wir sie gerade eben erst erlebt haben. Sie können für unser Leben schwerwiegende Bedeutung haben oder kleine Kränkungen sein, die wir relativ schnell wegstecken. Wie auch immer, wir wissen, wie sich erlittene Kränkungen anfühlen.
    Können Sie sich noch an die letzte Kränkung erinnern, die Sie erlebten? Wann passierte sie und durch wen? Wie haben Sie sich gefühlt und verhalten? Wissen Sie, welche Erwartungen und Bedürfnisse damals zu kurz kamen?
    Haben Sie den Mut und bleiben Sie kurz bei diesem Erlebnis. Auf dem Hintergrund einer persönlichen Erfahrung und Betroffenheit liest sich das Folgende möglicherweise spannender.
    Verletzungen durch andere geschehen oft ohne Absicht und ohne, dass wir darauf vorbereitet sind. Kränkungen treffen uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel, oft verstehen wir selber nicht, warum wir so heftig reagieren. Dennoch tun wir es, weil die Kränkung den Punkt berührt, an dem wir empfindlich sind. Ich habe ihn deshalb den wunden Punkt genannt, denn wir sind an dieser Stelle verwundet und verwundbar.
    Der wunde Punkt bildet sich da, wo erlittene Kränkungen und Verletzungen nicht verheilt sind und durch neue Erlebnisse jeder Zeit aktiviert werden können. Jede Verletzung mit ähnlichem Inhalt trifft uns an dieser Stelle, reißt die alte Wunde wieder auf und lässt sie schmerzen.
    Unsere aktuelle Reaktion ist also nicht nur bestimmt durch die gerade erlebte Kränkungshandlung, sondern auch durch das, was wir in diesem Zusammenhang bisher erlebt haben. Unser Schmerz ist nicht nur der aktuelle, sondern auch der alte; die Wut ist nicht nur die gegenwärtige, sondern die Summe aller Wutgefühle auf alle, die uns bislang verletzten; der Kränkende ist nicht nur der einzelne Mensch, sondern vertritt alle früheren »Kränker«. Das bewirkt zum einen, dass unser Verhalten heftiger ausfällt als nötig und wir uns in den Augen anderer völlig daneben oder zumindest unverständlich verhalten. Zum anderen bedeutet es, dass wir unser Gegenüber nicht mehr angemessen wahrnehmen, sondern in ihm, quasi als Repräsentant, alle anderen mitbekämpfen.
    Isolde litt darunter, dass ihre Zweierbeziehungen immer wieder zerbrachen. In jedem neuen Partner sah sie den erhofften Richtigen und war sich sicher, dass es dieses Mal klappen würde. Sie gab sich alle Mühe, alte Fehler nicht zu wiederholen und eine anziehende und liebenswerte Partnerin zu sein. Doch bei dem leisesten Anzeichen eines Rückzugs des Freundes reagierte sie schon verletzt. Ihre negativen Beziehungserfahrungen ließen sie jedes eigenständige Verhalten des Partners als drohende Trennung und Verlassenwerden erleben, auf das sie mit panischer Angst reagierte.
    Um der Angst Herr zu werden, fing sie an, Kontrolle auszuüben, damit ihr die Situation nicht aus der Hand glitt. Ihre Kontrolle ließ dem Partner jedoch zu wenig Raum, erdrückte ihn und führte dazu, dass er sich immer mehr zurückzog. Aufgrund ihrer Verletztheit konnte sie diese Situation nicht ertragen, war aber auch nicht fähig, sich mit dem Partner konstruktiv auseinanderzusetzen. Stattdessen beschimpfte sie ihn, machte ihm Vorwürfe und war außer sich vor Zorn. Sie war so stark gekränkt, dass sie sich nicht mehr in ihn einfühlen und ihn nicht mehr wahrnehmen konnte.
    Die therapeutische Arbeit bestand darin, sie wieder in Kontakt mit sich selbst zu bringen und die Wunde zu identifizieren, die durch sein eigenständiges Verhalten aufgerissen wurde. Es stellte sich heraus, dass sie ihren Vater sehr früh verlor, als er bei einem Unfall ums Leben kam. Dieser Verlust legte die Basis für ihre Trennungsangst und bildete ihren wunden Punkt. In der Therapie konnte sie das erste Mal den Tod des Vaters betrauern und ihre Enttäuschung und Wut über seinen Tod erleben und ausdrücken. Auch spürte sie, dass viel von dem Schmerz und der Wut, die sie bei Trennungen erlebt, mit den Gefühlen zu ihrem Vater zusammenhängen. Der Partner erfährt dann neben der aktuellen Enttäuschungsreaktion stellvertretend die Emotionen, die eigentlich ihrem Vater gelten.
    Für den Partner sieht die Situation völlig anders aus. Er spürt die Angst der Frau als Druck, ohne genau zu
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