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Nimm dich in acht

Nimm dich in acht

Titel: Nimm dich in acht
Autoren: Mary Higgins Clark
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angelegt hatte.
    Am Montag nachmittag beteiligte sie sich lustlos an der Besichtigungstour, zu der sie angemeldet war. Als sie spontan beschlossen hatte, an dieser Kreuzfahrt teilzunehmen, war ihr das zunächst als eine tolle Idee vorgekommen. »Die große Flucht«, hatte ihr Vater es genannt. Jetzt war sie nicht mehr so sicher. Außerdem wußte sie jetzt, da sie hier war, nicht mehr recht, wovor sie eigentlich hatte fliehen wollen.
    Sie kehrte zur Valerie zurück, durchnäßt von einem Wolkenbruch im Regenwald und voller Bedauern, daß sie die Reise nicht abgesagt hatte. Ja, ihre Suite auf dem Sonnendeck war wunderschön und hatte eine eigene Veranda; sie wußte auch bereits, daß recht nette Mitreisende mit von der Partie waren. Und doch fühlte sie sich rastlos, sogar bedrückt – sie spürte, daß es einfach nicht der richtige Zeitpunkt war, um New York zu verlassen.
    Der nächste Halt der Kreuzfahrt war für morgen angesetzt, die zu Panama gehörenden San Blas Inseln. Das Schiff würde gegen Mittag anlegen. Vielleicht war es möglich, dort ein Flugzeug zu nehmen und nach New York zurückzufliegen, dachte sie. Sie konnte immer noch sagen, daß sie gesundheitliche Probleme hätte.
    Als sie auf das Sonnendeck trat, war Dee fest entschlossen, am nächsten Tag nach Hause zu fliegen. In New York hatte sie noch so vieles zu erledigen.

    Während sie zu ihrer Suite ging, hielt die Zimmerstewardeß sie auf. »Für Sie ist gerade ein herrlicher Blumenstrauß gebracht worden«, sagte sie. »Ich habe ihn auf die Kommode gestellt.«
    Dee vergaß, daß sie naß war, und eilte in ihre Kabine.
    Dort fand sie eine Vase mit zwei Dutzend blaßgoldener Rosen. Sie las schnell die Karte. Sie war mit »Raten Sie«
    unterschrieben.
    Dee nahm die Karte fest in die Hand. Sie brauchte nicht zu raten. Sie wußte, wer sie geschickt hatte.
    Beim Essen am Samstag abend, als sie mit Susan den Platz getauscht hatte, war Alex Wright sehr nett zu ihr gewesen: »Ich bin froh, daß Susan vorgeschlagen hat, daß Sie neben mir sitzen sollen. Ich kann es nicht ertragen, wenn eine schöne Frau nicht glücklich ist. Da bin ich meinem Vater wohl ähnlicher, als ich gedacht hatte. Meine Stiefmutter war so schön wie Sie, und auch eine einsame Witwe, als mein Vater ihr auf einem Kreuzfahrtschiff begegnete. Er löste das Problem ihrer Einsamkeit, indem er sie heiratete.«
    Dee erinnerte sich, daß sie scherzhaft erwidert hatte, es sei ein wenig extrem, eine Frau zu heiraten, nur um sie von ihrer Einsamkeit zu kurieren, und daraufhin hatte Alex ihre Hand genommen und gesagt: »Mag sein, aber nicht so extrem wie andere Lösungen.«
    Es ist das gleiche wie mit Jack, dachte sie, als sie den Duft der Rosen einsog. Ich wollte Susan damals nicht verletzen, und ich will sie auch jetzt nicht verletzen. Aber ich glaube nicht, daß Alex ihr schon soviel bedeutet. Sie kennt ihn ja kaum. Sie wird es sicher verstehen.
    Dee duschte, wusch sich die Haare und zog sich zum Abendessen um. Und dabei stellte sie sich vor, wie schön es sein würde, wenn Alex, statt nach Rußland zu fahren, hier bei ihr auf dem Schiff wäre.

    103
    »Danke, Dr. Chandler. Wir sehen uns nächste Woche.«
    Um zehn vor sieben begleitete Susan ihre letzte Patientin für heute, Anne Ketler, zur Tür. Als sie an Janets Schreibtisch vorüberkam, sah Susan, daß das Paket geöffnet und die Fotos auf der Schreibunterlage gestapelt waren. Du hast Ohren zu hören, aber du hörst nicht, dachte sie.
    Sie öffnete die äußere Tür der Praxis für Mrs. Ketler und stellte fest, daß Janet nicht abgeschlossen hatte. Janet ist wirklich ein netter Mensch, dachte sie wieder einmal, und in mancherlei Hinsicht eine gute Sekretärin, aber sie ist nachlässig. Und nervig. Gut, daß sie im nächsten Monat geht; ich würde sie nur ungern entlassen.
    »Es ist sehr dunkel hier draußen«, sagte Mrs. Ketler, als sie in den Korridor trat.
    Susan blickte über ihre Schulter. Nur wenige Lampen erhellten den Korridor, so daß viele dunkle Schatteninseln übrigblieben. »Sie haben völlig recht«, sagte sie zu Mrs. Ketler. »Hier, nehmen Sie meinen Arm. Ich bringe Sie zum Aufzug.« Obgleich Mrs. Ketler, eine Frau in den Siebzigern, noch sehr rüstig war, neigte sie zu Ängstlichkeit. Sie war vor einem Jahr zu Susan gekommen, um die Depression zu überwinden, unter der sie litt, seit sie ihr Haus verkauft und in eine Seniorenwohnung mit Betreuung gezogen war.
    Susan wartete, bis der Aufzug kam, und drückte für Anne Ketler auf
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