Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nilowsky

Nilowsky

Titel: Nilowsky
Autoren: Torsten Schulz
Vom Netzwerk:
immer gut zu tun, die Arbeiter, oder?«
    »Genau so ist es«, bestätigte Nilowsky. »So langsam kommst du dahinter.«
    »Und dein Alter?«, fragte ich.
    »Mein Alter, der ist so versoffen, ist der, der hat die Kopfschmerzen schon weggesoffen.« Er grinste hämisch.»Ein Wunder, dass er es noch schafft, sich einen runterzuholen, so versoffen wie der ist. Muss so scharf sein auf Wally, so scharf muss der sein, aber hat keine Chance, keine bei Wally, nicht ein bisschen.«
    »Dürfte ich denn«, fragte ich, »Wally mal kennenlernen oder wenigstens mal sehen?«
    Nilowsky gab keine Antwort. Das war für mich Grund genug, nicht mehr nach Wally zu fragen. Sicherlich hätte ich ihr nachspionieren und sie beobachten können, wie sie in die Baracke ging oder die Baracke verließ, doch ich hatte Angst vor einer abermaligen Begegnung mit Nilowskys Vater. Vor allem aber hätte ich das Gefühl gehabt, gegen Nilowskys Willen zu verstoßen, und das wollte ich nicht.

7
    Zwei Wochen später, an einem dunklen, verregneten Nachmittag Ende Oktober, sagte er, kaum dass er mich auf dem Nachhauseweg abgepasst hatte: »Muss zu Wally, muss ich. Soll ihr von Roberto was ausrichten. Willst du mitkommen?«
    Ich antwortete nicht, sondern blieb einfach an seiner Seite. Wir gingen durch eine fast zwei Kilometer entfernt liegende Bahndammunterführung. Nachdem wir eine ganze Weile schweigend nebeneinander hergelaufen waren, sagte Nilowsky: »Niemand soll sehen, dass wir zu Wally gehen. Deshalb der Umweg.« Ich fühlte mich, als sei ich an einer geheimen Mission beteiligt; von mir aus hätte der Umweg noch größer sein können.
    Schließlich standen wir vor einem vierstöckigen Haus, auf der anderen Seite des Chemiewerks. Nilowsky klopfte in einem bestimmten Rhythmus – zweimal lang, zweimal kurz – gegen eine heruntergelassene Jalousie im Erdgeschoss. Die Jalousie wurde hochgezogen und das Fenster geöffnet. Nilowsky stieg in die Wohnung, und ich folgte ihm.
    Wally war klein und kräftig und Anfang fünfzig. Wie viele Frauen in dieser Zeit trug sie eine Kittelschürze aus Dederon. Ihre braune Haarfärbung war fast herausgewachsen aus den glatt nach hinten gekämmten grauen Haaren, die ihr einen Ausdruck von Strenge gaben. »Soein Mistwetter aber ooch«, sagte sie. »Will man nischt von mitkriegen.«
    Sie ließ die Jalousie wieder herunter und fragte Nilowsky: »Wat willste? Und wen haste da mitjebracht?«
    »Das ist ein Freund von mir. Der ist absolut vertrauenswürdig, ist er.«
    Ich fühlte mich noch mehr als zuvor wie auf einer Geheimmission. Und dass mich Nilowsky als Freund bezeichnet hatte, trieb mir vor Freude die Tränen in die Augen. Zugleich ängstigte es mich, weil ich nicht wusste, was er mir als Freund alles zutrauen würde.
    »Wusste gar nich, dass du Freunde hast«, sagte Wally, doch dann musste sie gesehen haben, wie sehr sie ihn mit dieser Bemerkung getroffen hatte, und schickte schnell hinterher: »Ick freu mir, dass du mal wieder jekomm bist. Ick freu mir sehr.«
    Mit diesen Worten nahm sie Nilowsky in die Arme, der sich, damit das überhaupt möglich war, weit zu ihr hinabbeugte.
    »Ich soll dir was von Roberto ausrichten«, sagte er und löste sich aus ihrer Umarmung.
    »Wat will der mir denn ausrichten?«, fragte Wally, obwohl sie sich das, wie es den Anschein hatte, schon denken konnte.
    »Er will, dass du wieder kommst. Das will er. Dass du wieder dabei bist, will er.«
    »Kann ick mir vorstellen, dass er dit will«, rief Wally aus und ließ sich auf ihr Sofa plumpsen. »Aber denn soll er mir nich mit Elli eifersüchtig machen. Dit kannste ihm mal erklären.«
    »Elli ist sechsundsechzig«, sagte Nilowsky. »Das ist viel zu alt fürs Eifersüchtigmachen.«
    »Hast du ’ne Ahnung«, konterte Wally. »Zu Elli sag ick nur: Umso oller, umso doller. Außerdem bringt die ja immer die schönsten Sachen aus ’m Westen mit. Ick denk nur an die janzen Jewürze, so ’ne Jewürze kriegen die Afrikaner noch nich mal in Afrika. Nich mal in Maputo oder wie sich die ihre Hauptstadt schimpft. Wegen die Jewürze sind alle so scharf uff Elli, da macht dit ooch nischt, dass sie schon Rentnerin is. Aber jut, dit is nich allet. Dit is, für mir jedenfalls, nich der Hauptgrund.«
    Wally machte eine Pause, um kräftig auszuatmen. Nilowsky wusste wohl, worauf sie hinauswollte. Er erwartete es geradezu gespannt, ja lustvoll. »Wollt ihr wat trinken?«, fragte Wally.
    »Danke«, entgegnete Nilowsky.
    »Und du?« Wally blickte mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher