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Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)

Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)

Titel: Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)
Autoren: Bettina Schuemann
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missgünstig und dumpf, fleischgewordenes Resultat zusammenraffenden, besitzgierigen Verschlingens, gepaart mit großerinnerer Leere.
    Â 
    Uralt-Niki: Genau so habe ich die Menschen in Europa und den USA gesehen, als ich aus Indien zurückkam. Ich war schockiert von dem Kontrast zwischen der Armut dort und der Sattheit hier.
    Â 
    Fertig! Niki streckt ihren Rücken durch und legt den Pinsel weg. Zufrieden mustert sie ihre beiden hässlichen Frauen, die sie an einen Tisch zum Teetrinken gesetzt hat.
    Â»Hast du Lust auf einen Tee?«, fragt sie Rico, der zu Besuch da ist, und schaut in den Regen hinaus.
    Â»Gern.«
    Gerade geht sie zur Tür, als diese plötzlich aufgestoßen wird – und Jean ist da! Überschwänglich packt er sich Niki und umarmt sie zur Begrüßung, da fällt sein Blick direkt auf jene missmutigen neuen Skulpturendamen. Jähes Entsetzen wandert ihm ins Gesicht, schlägt um in blanke Wut, und umgehend schwenkt er Niki herum und schmeißt sie zur Tür hinaus, Rico hinterher. Draußen regnet’s, und es ist kalt. Drinnen ist Jean.

    Was macht er da allein mit den »netten Damen«? Hin und her wandert er, unaufhörlich und in gebührendem Abstand, zwanzig Minuten lang. Dann holt er Niki und Rico zerknirscht wieder herein, mit einer Flasche von seinem Lieblingsschnaps in der Hand.
    Â 
    Ich kippe den Schnaps hinunter und bin erst mal sprachlos. Was für eine Reaktion auf meine Kunst! Sie müssen gut sein, die Skulpturen, stark. Ich muss grinsen. Pikant an der Sache ist nämlich, dass Jean öfter zu mir sagt: »Mit mir hast du deine Mutter geheiratet.« Damit meint er seinen furchtbaren Jähzorn, den auch meine Mutter hat.
    Â 
    1971 heiraten wir tatsächlich. Das versöhnt mein Herz ein wenig mehr mit Micheline. Kurz darauf bekommt Laura – sie ist jetzt 20 Jahre alt und schon verheiratet! – ein Baby. Ich freue mich riesig über meine Enkelin Bloum. Vielleicht kann ich an ihr manches gutmachen von dem, was meine Kinder von mir nicht bekommen konnten?
    Im Herbst ist »Tee bei Angélina« in Alexandres Galerie zu sehen. Die meisten Menschen reagieren ähnlich entsetzt wie Jean. Dennoch existiert sie doch auch, diese »Mutterseite«, oder nicht?
    Als meine »Mütter« im Frühjahr darauf in New York gezeigt werden, fragt Mama mich leicht pikiert, ob ich damit etwa sie meine. Ich wiegele ab. Aber das ist ein wenig gelogen.
    Der Golem
    Kinder find ich einfach klasse! Als Teddy Kollek, der Bürgermeister von Jerusalem, sich in Bloums Geburtsjahr von mir ein Kunstwerk wünscht, sage ich ihm zu – unter einer Bedingung: Es soll für Kinder sein. Zum Spielen, Toben, Klettern, sich Verstecken, Träumen, … mir fallen tausend Dinge dazu ein. Zum Glück ist Teddy begeistert!
    Bald ist klar: Es wird ein freundlicher Monsterkopf. Man kann hineinklettern und über drei lange Zungen aus dem Mund wieder
hinaus rutschen. »Golem« wird er heißen. In der jüdischen Legende ist der Golem ein Wesen, das durch Magie zum Leben erweckt wird. Hier sind die KINDER diese MAGIE. Das passt doch, finde ich!
    Ich bin völlig fasziniert von dem genialen »All Swiss Star Team«, das die Figur nach meinem Modell baut: Jean, Rico und Seppi. Erst wird ein stabiles Stahlgerüst erstellt, dieses dann mit Beton übergossen, den ich am Ende bemale. Die roten Zungen-Rutschen sind natürlich aus Polyester, aber mittlerweile kann ich die Polyesterformen herstellen lassen, was mich sehr erleichtert.

Zusammenbruch
    Niki wird wieder von ihrer schmerzhaften Vergangenheit eingeholt, da gibt ihr die Zusammenballung familiärer Ereignisse den Rest.
    Z urzeit holt mich das »Familienthema« mächtig ein: Meine Tochter Laura, meine Enkelin Bloum, ich als frischgebackene Ehefrau und Großmutter, meine Mama Jeanne als Urgroßmutter – wir sortieren uns alle gerade neu und nähern uns vorsichtig einander an. Puh! Es ist schön, aber auch nicht einfach.
    Auch Daddy spukt wieder mehr durch meine Gedanken, bringt Albträume und schmerzhafte Erinnerungen. Um sie endlich loszuwerden, gieße ich all meine inneren Bilder in einen Film.
    1973 läuft dieser auch in New York, aber ich bitte Mama, nicht hinzugehen. Was man über den Film hört, reicht schon völlig. Meine Familie ist empört darüber, wie ich Daddy so in den Schmutz ziehen könne. Nur Mama nimmt mich
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