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Niewinter 01 - Gauntlgrym

Niewinter 01 - Gauntlgrym

Titel: Niewinter 01 - Gauntlgrym
Autoren: R. A. Salvatore
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meine Gedanken spuken. Sie werden da sein. Dieses Wissen tröstet mich. Sie werden mir zulächeln, wenn ich Ermunterung brauche, den Schlachtruf ausstoßen, wenn ein Kampf bevorsteht, mir meine Torheit vorhalten, wenn ich für das Offensichtliche blind bin, und immer bereitstehen, um mir ein Lächeln zu entlocken und mir das Herz zu wärmen.
    Aber ich fürchte, sie werden auch immer da sein, um mich an den Schmerz, die Ungerechtigkeit und die hartherzigen Götter zu erinnern, die mir meine Liebe genau zu dem Zeitpunkt entrissen, als ich endlich meinen Frieden gefunden hatte. Das werde ich ihnen nie verzeihen.
    »Lebe dein Leben in einzelnen Abschnitten«, riet mir einst eine weise Elfe, denn für so langlebige Geschöpfe wie uns, die das Dämmern und Vergehen der Jahrhunderte miterleben können, wäre es wahrlich ein Fluch, das absehbare Altern mit all seiner verheerenden Wirkung und den unausweichlichen Tod auszublenden.
    Und so erhebe ich nach über vierzig Jahren mein Glas auf die, die mir vorangegangen sind: auf Deudermont, auf Cadderly, auf Regis, vielleicht auf Wulfgar, dessen Schicksal ich nicht kenne, und insbesondere auf Catti-brie, meine Liebe, mein Leben – nein, die Liebe dieses einen Lebensabschnitts.
    Die Umstände, das Schicksal, die Götter …
    Das werde ich ihnen nie verzeihen.
    Auch wenn diese Worte so selbstsicher von meiner Freiheit künden, zittert meine Hand beim Schreiben. Seit der Katastrophe durch den König der Geister, dem Einsturz der Schwebenden Seele und dem To…, nein, dem Verlust von Catti-brie, sind so viele Jahre vergangen. Doch an jenem schrecklichen Morgen schien es nur diesen einzigen Morgen zu geben, und während so viele Erinnerungen an mein Leben mit Catti-brie jetzt in so weite Ferne gerückt sind, fast als würde ich auf das Leben eines anderen Dunkelelfen zurückblicken, bleibt dieser Morgen, an dem die Seelen von meiner Liebsten und Regis auf einem Einhorn aus Mithril-Halle fortgetragen wurden, eine offene, blutende, brennende Wunde.
    Aber damit ist jetzt Schluss.
    Ich übergebe die Erinnerung nun den Gezeiten des Wassers und sehe mich nicht um, wenn es weicht.
    Denn ich mache mich mit alten und neuen Freunden auf den Weg. Meine Säbel waren zu lange untätig, meine Stiefel und mein Mantel sind zu sauber. Guenhwyvar ist unruhig, und unruhig ist auch das Herz von Drizzt Do’Urden.
    Bruenor behauptet, wir zögen nach Gauntlgrym, auch wenn ich nicht daran glaube. Aber das spielt keine Rolle, denn in Wahrheit will er sein Leben beschließen, und ich suche nach neuen Ufern – einem Neuanfang, fern der Bindungen der Vergangenheit. Einem neuen Lebensabschnitt.
    Das ist es, was einen Elfen ausmacht.
    Das ist es, was das Leben ausmacht, denn auch wenn dieser Entschluss für die langlebigen Völker am schmerzlichsten und notwendigsten ist, teilen selbst die kurzlebigen Menschen ihr Leben in Abschnitte ein, deren vorübergehende Natur sie jedoch selten erkennen. Jeder, dem ich begegnet bin, redet sich ein, sein gegenwärtiges Leben würde immer so weitergehen, Jahr für Jahr. Es ist so leicht, von den Erwartungen zu sprechen, was vielleicht in zehn Jahren sein wird, und davon überzeugt zu sein, dass die wichtigen Dinge im Leben so bleiben, wie sie sind, oder sich wie gewünscht verbessern werden.
    »So wird mein Leben in einem Jahr aussehen!«
    »So wird mein Leben in fünf Jahren aussehen!«
    »So wird mein Leben in zehn Jahren aussehen!«
    Wir alle reden uns sehr überzeugend solche Hoffnungen, Träume und Erwartungen ein, denn das Ziel erleichtert uns den Weg. Doch am Ende dieser Zeitspanne, ob nach einem, nach fünf, nach zehn oder fünfzig Jahren ist es der Weg, nicht das erreichte oder aus den Augen verlorene Ziel, der uns ausmacht. Der Weg ist unsere wahre Geschichte, nicht ob wir am Ende gesiegt haben oder gescheitert sind, und deshalb lautet die wichtigste Aussage meiner Erfahrung nach: »So ist mein Leben im Moment.«
    Ich bin Drizzt Do’Urden, früher aus Mithril-Halle, noch früher der geprügelte Sohn einer Oberinmutter, Schützling eines unvergleichlichen Fechtmeisters, einst geliebter Ehemann und Freund eines Königs und anderer, nicht weniger wunderbarer und wichtiger Freunde. Das sind die Ströme meiner Erinnerung, die jetzt an ferne Küsten weiterfließen, denn ich fordere meinen Weg und mein Herz zurück.
    Nur nicht mein Ziel, wie ich mit Überraschung feststelle, denn die Welt ist nicht mehr dieselbe. Die Wahrheiten von einst zählen nicht mehr, denn eine
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