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Niemand

Niemand

Titel: Niemand
Autoren: Nicole Rensmann
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Opfer mit Geräuschen lahm«, meinte Zof.
    »Das ist wahr. Sonst ist alles Lüge was über uns gesagt wird«, schloss Freny und hauchte: »Und das auch.«
    »Dann haltet ihr also auch den Heiligen Geist gefangen?«, wollte Niemand wissen und freute sich, dass sich Nina an ihn drängte, obwohl sie ihn nicht sah.
    Die siamesisch-verdrillingten Kreischzwerge wechselten Blicke untereinander. Es dauerte eine Weile, bis sich alle drei einmal angesehen hatten.
    Dann begann der Lärm! Dreimal lauter als zuvor. Vielleicht noch lauter. Die Laberköppe rissen die Hände hoch und hielten sich die Ohren zu. Auch Nina und Niemand versuchten sich von dem Krach abzuschirmen. Der Lärm zwang sie in die Knie. Sie pressten die Unterarme seitlich gegen den Kopf.
    Das Getöse ließ ihre Zähne aufeinanderschlagen, die Knochen vibrieren und den Magen beben. Das Kreischen war so durchdringend, dass es in anderen Welten Erdbeben und Tsunamis auslöste. Die Kreischzwerge hüpften auf Nina zu. Doch sie sah die Gefahr nicht, sie hatte die Augen fest zugekniffen. Niemand konnte ihr nicht helfen, das Gekreische lähmte ihn. Des Teufels Geschrei war ein Babypups dagegen.
    Stopp! Stille.
    »Klar!«
    »Klar!«
    »Klar!«, echoten die Kreischzwerge ein letztes Mal und verschwanden im Gras.
    Vor Erschöpfung und nachklingendem Schmerz, der in ihren Ohren brannte, verursacht durch das Kreischzwergenkreischen, hatte Nina Tränen in den Augen. Sie griff sich ins Haar und atmete erleichtert auf. »Es ist noch dran.«
    Die Laberköppe sahen sich an.
    »Was ist?«, fragte Nina.
    Niemand fuhr mit der flachen Hand über Ninas Kopf. »Sie haben dir eine Strähne abgeschnitten! Sieht toll aus.«
    »Richtig schick!«, stimmten Nöckel und Pin zu. »Total modern.«
    Nina schluckte, betastete noch einmal ihre Haare und fand die Stelle, an der ihr eine Strähne fehlte. Links über der Stirn trug sie nun Haarstoppel. Neue Tränen schimmerten in ihren Augen und Niemand hätte sie jetzt am liebsten in den Arm genommen, aber vor den Laberköppen traute er sich nicht. Nina presste die Lippen aufeinander, die Tränen verschwanden und sie sagte leise: »Dann haben die Kreischzwerge wenigstens in diesem Fall nicht gelogen!« Sie lächelte. »Zeigst du mir deinen Thron?«
    »Wolltest du nicht nach Hause?«, fragte Niemand und wunderte sich selbst über den traurigen Klang seiner Stimme.
    »Schon, aber vorher kannst du mir doch den Thron zeigen!«
    »Der Weg ist weit!«
    Niemand freute sich. Er freute sich so sehr darauf, mit Nina durchs Niemandsland zu wandern und ihr alles zu zeigen, dass er ein Klopfen in seiner Brust spürte. Er presste beide Hände dagegen. Das musste ein Herzschlag sein. Nie zuvor hatte er sein Herz gespürt.
    Der Thron stand hinter der Burg auf dem höchsten Berg des Niemandslandes. Es war ein weiter und gefährlicher Weg, aber Niemand würde Nina beschützen. Und er hoffte, dass Nina ihm alles über ihr Land erzählte. Niemand musste wissen, wie es sich dort lebte und ob es sich lohnte, über die Grenze zu gehen – für immer.
    Sie verabschiedeten sich von Pin und Nöckel, deren Rufen und Lachen sie noch eine Zeit lang begleiteten.
    Nina ging dicht neben ihm, ihre Hände berührten sich bei jedem Schritt, immer wieder sah er sie an, ohne dass sie es merkte, und in seinem Bauch blubberte es wie in einem kleinen Vulkan.
    Nina! Ein Mensch. Ein Mädchen, hatten die Laberköppe gewusst.
    Mädchen gab es nicht im Niemandsland. Und nun war Nina hier. Er wusste, dass sie zurückkehren musste.
    Aber zuerst wollte sie seinen Thron sehen. Und einer Nina widersprach Niemand nicht.
        

4.

    Nina weinte nicht oft, aber nachdem Suse abgehauen war, hatte sie hinter jedem Baum und unter jedem Strauch ein Raubtier oder einen Verbrecher vermutet. Suse war sicherlich längst zu Hause und würde behaupten, Nina sei weggelaufen. Sie schob ihr für alles die Schuld in die Schuhe, auch dann, wenn Suse selbst Mist gebaut hatte. Sie war drei Jahre älter als Nina und ein Biest. Ständig zettelte sie Streit an und verpetzte Nina bei ihren Eltern, wenn sie mal ein Stück Schokolade genommen hatte, ohne vorher zu fragen.
    Und obwohl Suse es war, die wegen des Blumenstraußes herumgeschrien hatte und fortgerannt war, würden ihre Eltern ihr Vorwürfe machen. Ihr, Nina. Aber jetzt war sie hier, hier bei Niemand. Ihre Eltern waren weit weg und suchten sie vielleicht nicht einmal.
    Als Niemand die Grenzen erwähnt hatte, war ihr eingefallen, dass sie Glück und gleichzeitig
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