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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition)
Autoren: Johannes Mario Simmel
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da war Babs nun einmal, und da war ich, pleite hoch drei.
    Und nun?
    Nun riß ich mich eben am Riemen.
    Sie sind schockiert, mein Herr Richter?
    Sie haben, wie alle Menschen, viele Jahre lang ganz anderes gehört, gesehen, gelesen über dieses tränentreibende Dreiecksverhältnis Sylvia Moran-Babs-Philip Kaven, über dieses Märchen aus ›Tausendundeiner Nacht‹, über diese Liebesverbindung des Jahrhunderts, der letzte Eskimo weiß hier Bescheid. Und mit diesen vorangegangenen Sätzen hätte ich, genau wie Sie, mein Herr Richter, alle Menschen der Erde geschockt bis zu jenem letzten Eskimo.
    Was Sie, was die ganze Welt seit vielen Jahren glaubt, seit vielen Jahren vorgesetzt bekommt, ist dies: Sylvia Moran, die Göttliche, hat eine Tochter, ohne verheiratet zu sein. Sie weigerte sich stets, und stets mit Erfolg, den Namen des Vaters zu nennen. Sie wissen, mein Herr Richter, welch Fressen die internationale Regenbogenpresse da seit Jahren hat. Babs: das Wunschkind, das Kind der Liebe. Hinreißend niedlich anzusehen schon als Baby, immer hübscher geworden mit den Jahren. THE WORLD’S GREATEST LITTLE SUNSHINE-GIRL – DER WELT GRÖSSTES KLEINES SONNENSCHEIN-MÄDCHEN, so wurde, so wird sie genannt. Ausgedacht hat dieses Design sich Rod Bracken, Sylvias Agent. Bestimmt hat er sich auch die ›Kind der Liebe‹- Masche und das Geheimnis um den Vater ausgedacht. Vielleicht ist er der Vater. Möglich wär’s. Ach, das ist jetzt egal.
    Das geht aber noch weiter!
    Sylvia Moran hat vor fünf Jahren die Liebe ihres Lebens gefunden. (Mich.) Wir sind füreinander geschaffen. (Für Formulierung und Text verantwortlich: Rod Bracken.) Sylvia ist eine emanzipierte, eine wirklich in jeder Beziehung zur Freiheit gelangte Frau. Sylvia Moran hat gleich damals – und seither ein paar Millionen Mal – diese Weisheit zum besten gegeben: »Ich liebe Phil. Und er liebt mich. Wir werden niemals heiraten. Gerade weil wir einander so lieben, weil dies eine so perfekte Liebe ist, werden wir niemals heiraten. Denn die Heirat ist, auch bei der perfektesten Verbindung, sehr bald der Tod der Liebe.« ( Dafür verantwortlich: Sylvia Moran. Das ist wirklich ihre Ansicht.)
    Wahrscheinlich, wenn ich mich so umsehe, ist was dran an ihrer Ansicht. Abgesehen natürlich davon, daß sie einen Vogel hat wie wir alle. Ich, ich hätte sie natürlich geheiratet. Bedenken Sie, mein Herr Richter, man wird älter, man ist nicht mehr taufrisch, man denkt an die Zukunft, das Alter, nicht wahr, Sicherheit, Sicherheit über alles, über alles in der Welt! Aber nix. Sylvia war der Meinung – siehe oben. Na, damit es wenigstens so weiterging, war ich natürlich auch der Meinung. Da ich nie eigene Überzeugungen hatte, wehrte ich mich auch niemals dagegen, die Überzeugungen anderer Menschen als eigene zu verkünden.
    Also, wir sind das Traum-Paar des zwanzigsten Jahrhunderts, Sylvia und ich, wahrlich moderne Menschen, bewundernswert, wie wir unsere Liebe bewahren, indem wir auf den verdammten Ring am Finger und die verfluchten Unterschriften auf dem Papier und das ›Bis daß der Tod euch scheidet‹ pfeifen. Toll, wie? Und noch toller als diese Liebe zu zweit – die Liebe zu dritt! Wie liebten wir beide Babs, besonders ich !
    Sie verstehen: Andauernd unterwegs, andauernd vor Kameras und Mikrofonen, im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit mußte ich, und wenn es mir noch so schwerfiel, mich unablässig perfekt verstellen und so tun, als ob ich diese kleine Kröte Babs genauso liebte wie sie mich. Waren doch ständig Reporter und Fotografen und das Fernsehen und die Wochenschauen und die Kerls vom Funk da, nicht wahr. Denn das bildete den infernalischsten und deshalb natürlich größten Publicity-stunt dieses Schweins Rod Bracken: Immer, Sie wissen es, waren Babs und ich bei Sylvia, wo sie auch hinflog, hinfuhr, um zu drehen, immer, immer wir drei! Und immer neue Storys über die wunderbare Liebe, die uns drei verband.
    Wie oft, mein Herr Richter, dachte ich in den letzten fünf Jahren: Babs bringe ich um. Und die Mutter dazu. Schlau. Ganz schlau, natürlich. Das perfekte Verbrechen. Um wieder frei zu sein. Frei! Natürlich reine Hysterie von mir. Erstens bin ich für so etwas viel zu feige. Und dann, ich bitte Sie, mein Herr Richter, bedenken Sie, wenn einer, wie ich es war, einen Goldfisch an der Angel hat wie diese Frau, dann bringt er sie nicht um, dann bringt er niemanden um, nicht wahr. Was denn? Dann schwört er, daß er diese Frau liebt! Und ihre
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