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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition)
Autoren: Johannes Mario Simmel
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offenkundige Unbehagen an allem Weiblichen, dieses offenkundige Hochjubeln alles Männlichen, je brutaler, je lieber. Gewiß, schöne Zeiten für viele Herren – aber Sie geben doch zu, daß das gerade für jemanden wie mich deprimierende Ausblicke sind, nicht wahr? Kastrationsangst, Oedipus-Komplex, Inzest-Tabu, Verdrängungsgewinn, Regression, Symptomverdrängung, Triebgefahr, Objektliebe, Introjektion, Substitution, Besetzung, Gegenbesetzung und so weiter und so weiter helfen uns hier auch nicht weiter. Lange her, daß Sigmund Freud sich da ausgetobt hat. Heute? Auf den Misthaufen mit ihm! Sie transit gloria mundi. Ist allerdings noch nicht ganz vergangen, der Ruhm der Frauen. Noch gibt es, bei immer mehr internationalen Filmen mit Männern als Helden, die vor Kraft kaum laufen können, ja, ja, doch, doch, noch gibt es Weltproduktionen mit einem weiblichen Star, und von den wenigen Großen, die ich erwähnte, ist Sylvia Moran die Größte – nicht nur im Rahmen dieser desolaten Entwicklung (wahrlich, in finstern Zeiten leben wir, mein Herr Richter!), nein, nicht nur im Rahmen dieser elenden Epoche, sondern rückblickend bis zum Anfang der Kinematographie – sie ist die Größte.
    Und nun hilft nichts mehr. Gleich zu Beginn muß ich indiskret werden, bald werde ich viel Schlimmeres werden müssen in meinem Geständnis: Diese Größte hat mich vielleicht mit Beschlag belegt. Mein lieber Mann! Für immer und ewig, mit Haut und Haaren. Sie hatte mich. Ich war ›her meat‹, ihr Fleisch war ich. Das dachte sie. Ich hätte ja gern etwas anderes gedacht, aber ich kam aus diesem Teufelskreis einfach nicht mehr heraus. Nun ja, und so machte ich eben immer weiter. Nur damit Sie sich gleich darüber im klaren sind, daß ich nicht die Absicht habe, dem, was ich tat, ein ethisches Mäntelchen umzuhängen. Darüber bin ich lange hinaus. Ich spiele keinem mehr den Heldenhelden vor, der ich nie war. Ein Stück Dreck bin ich. Ein obermieser Schuft ist es, der Ihnen hier seine Geschichte erzählt, ein richtiges Charakterschwein. Mit Namen Philip Kaven.
    Unter diesem Namen kennt mich (und ich bin alles andere als stolz darauf!) die ganze Welt. Unter dem Namen Philip Kaven und als Sylvia Morans ständigen Begleiter. Siebenundzwanzig Jahre war ich alt, als ich sie kennenlernte, sie war damals dreiunddreißig, fünf Jahre ist das nun schon wieder her. Nächste Woche feiere ich hier, in dieser komfortablen Zelle, meinen zweiunddreißigsten Geburtstag, und Sylvia ist jetzt achtunddreißig, diese, nein, da gibt es wirklich keinerlei Diskussion, das ist die Meinung aller, diese Göttlichste der internationalen Filmindustrie, und dabei natürlich auch Maßloseste, Unersättlichste, Verrückteste – was soll’s? Jetzt schreiben wir November 1973. Seit 1968 lebte ich von ihr, von ihr allein. Vorher ging es dem Playboy Philip Kaven beschissen, und wenn ich beschissen sage, drücke ich mich noch geradezu verboten euphemistisch aus, mein Herr Richter. Ich erinnere an die Definition des Wortes ›Playboy‹ im BROCKHAUS und an das Wörtchen ›meist‹.
    Ja, fünf Jahre lebte ich ausschließlich von Sylvia Moran, es kommt jetzt doch alles heraus, leid tut es mir für Bruder Karl-Ludwig, den braven Kerl, und für die Kabelwerke; alles aber hat sich eben von Grund auf geändert, nachdem nun auch noch dieser Mann erschossen worden ist. Ich lebte von Sylvia Moran. And not too knapp. Die Maßanzüge, die Seidenhemden, die Platinarmbanduhren, meine ganze Garderobe, der Maserati Ghibli (der kostete 130000 Francs – Neue! –, und ich brachte ihn wirklich immer spielend leicht auf 290!) – dies und so viel mehr hatte ich von ihr. Sie kaufte und bezahlte alles für mich. Weil sie – fern, ach so fern liegt es, mich jetzt und hier damit noch zu rühmen –, weil sie so wahnsinnig nach mir war. Ich habe stets alles getan, um sie zufriedenzustellen. Ich war für sie da bei Tag und bei Nacht, immer. Ich erfüllte jeden ihrer Aufträge, jeden ihrer Wünsche, und sie hatte stets eine Menge Wünsche, darauf können Sie sich verlassen, mein Herr Richter. Eifersüchtig war sie natürlich auch. Wie eine Verrückte. Das mit der Eifersucht war damals, als das, was nun bis hin zum Mord geführt hat, gerade seinen Anfang nahm, so schlimm geworden, daß ich selber immer häufiger das Gefühl hatte, unmittelbar vor dem Verrücktwerden zu stehen.
    Mit Sylvia Moran habe ich in den letzten fünf Jahren so viele Länder und Städte auf allen fünf
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