Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nickel: Roman (German Edition)

Nickel: Roman (German Edition)

Titel: Nickel: Roman (German Edition)
Autoren: Aric Davis
Vom Netzwerk:
besorgst mir die dreihundert Dollar, per Barscheck ohne Empfängernamen. Ich fange Donnerstag an und versuche bis Samstagabend zu klären, was ihn antriggert. Wenn ich das weiß, können wir uns überlegen, wie wir das Problem lösen.«
    »Wie viel wird das kosten?«
    »Keine Ahnung. Wenn ich es weiß, erfährst du’s. Wie ist Jeffs Nachname?«
    »Rogers.«
    »War mir ein Vergnügen, Veronica. Ich melde mich bald.« Ich schüttelte ihr noch einmal die Hand und ging davon. Ich spürteihre Augen auf mir ruhen. Wäre ich nur ein bisschen größer und dunkler oder sähe besser aus, dann hätte sie bestimmt darüber nachgedacht, mit diesem scharfen Detektiv in die Kiste zu hüpfen. Stattdessen hatte sie mich: klein, rothaarig, wenn auch vielleicht gar nicht mal so hässlich. Ein paar Sommersprossen, wo eine Narbe hingehört hätte, und ein schlanker Körper, der nicht von einem besonders aktiven Stoffwechsel kam, sondern davon, dass ich mich in Rhinos Sportschule vermöbeln ließ. Sie wusste es nicht, aber meine »Eckdaten« waren den Attributen
groß, dunkel und gut aussehend
allemal überlegen. Niemand rechnet mit einem zierlichen Jungen.
    Ich nahm die Kette ab und beschloss, nach Four Oaks rüberzufahren. Es lag nicht weit vom Park weg und ich hatte noch ein bisschen Zeit totzuschlagen. Ich setzte mich aufs Rad und trat in die Pedale.
    Meine Stadt strich wie der Wind an mir vorbei; ich hoffte bloß, sie würde mich ebenso ignorieren, wie ich sie zu ignorieren vorgab. Im Westen sank schon die Sonne – genau wie der Wind versuchte sie mir zu sagen, dass der Schnee bereits unterwegs war. Ich spürte Blicke an mir zupfen, man wunderte sich, warum ich nicht in der Schule war. Aber solange keiner dieser Blicke mit einem Polizeiabzeichen verbunden war, konnte ich weiterfahren. Ich fuhr durch die Innenstadt und hinaus in die Vorstadt – genauso viele Blicke, aber doppelt so viele Geheimnisse. Als ich nach Four Oaks kam, war ich verschwitzt, aber ich lächelte. Es wehte eine kühle Brise, eine Belohnung. Ich wechselte in einen niedrigeren Gang und rollte dahin.
    1138 Oakway fand ich ohne Probleme. Hübsches Haus, großer Garten, obendrein gut gepflegt. Wenn da nicht ein Kindvermisst würde, wäre alles bestens gewesen. Es wäre ehrlich gewesen, wenn ich mir Arrow zur Brust genommen und ihr ein paar Statistiken erklärt hätte, besonders hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass ihre Schwester die Entführung durch einen Fremden überlebte. Ich verwarf den Gedanken. Das wäre vielleicht ehrlich gewesen, aber auch grausam. Es war schlimm, dass ihre Schwester entführt worden war; schlimmer noch wäre es, ihr zu sagen, dass sie wahrscheinlich eines grausamen Todes gestorben war und niemals gefunden werden würde, und falls sie doch gefunden würde, dann von irgendwelchen sehr unglücklichen Wanderern. Ich ruhte mich einen Moment lang auf meinem Fahrrad aus und fuhr dann Richtung Bibliothek. Nicht die, in der ich Veronica getroffen hatte, sondern eine kleinere Zweigstelle. Ich trat in die Pedale, eher langsam, aber nicht zu langsam. Ich wollte das Raubtier sein, nicht die Beute.
    Ich holte den kleinen Notizblock hervor, den ich in der hinteren Hosentasche aufbewahre, und zwang mich, mich auf die Kleinigkeiten zu konzentrieren, die fehl am Platze wirkten: ein Haus mit drei Schuppen, ein stattliches Haus ohne gepflegten Garten – alles, was aus dem nichtssagenden Einerlei des Viertels herausragte. Der kleine Erwachsenenanteil in mir schrie, dass die Irren sich in der Normalität verbargen, aber ich konnte nicht anders, als zuerst nach den Merkwürdigkeiten Ausschau zu halten; bei so viel Normalität würde ich hier sowieso nicht viel Merkwürdiges sehen. Ich fuhr durch ein ziemlich dichtes Waldgebiet, über eine kleine Brücke und hinaus aus der Vorstadt. Eine Tankstelle, eine Verkehrsampel und ein Wegweiser zur Bibliothek begegneten mir. Ich machte kehrt und fuhr zurück, um mich noch einmal umzusehen. Diesmalkam die Brücke mir komisch vor. Ich schob das Fahrrad zurück, lehnte es an die stählerne Leitplanke und setzte mich daneben. Irgendetwas stimmte nicht mit dieser Stelle. Da war ein zerfurchter Pfad, der offensichtlich von Fahrrädern herrührte, aber auf dem Pfad wuchs frisches Gras, also war er wohl seit einer Weile nicht mehr benutzt worden. Die Stelle war perfekt, wenn man jemanden entführen wollte: Nicht ein einziges Auto war vorbeigekommen, seit ich angehalten hatte. Ich sah zu meinem Fahrrad, dann wieder Richtung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher