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Nick Perfect – Bruder per Post

Nick Perfect – Bruder per Post

Titel: Nick Perfect – Bruder per Post
Autoren: Evan Kuhlmann
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Styroporchips und Luftpolsterfolie warmgehalten.
    Während ich den Jungen in der Kiste anstarrte und mich fragte, warum man ihn aus Frankreich hergeschickt hatte und wie lange er bei uns bleiben wollte und ob ihn seine Familie schon vermisste und ob er hungrig und durstig war und wie er es geschafft hatte, während des Transports nicht aufs Klo zu müssen, und ob er Käsetoast mochte… wurden seine Augen plötzlich ganz groß und er zwinkerte ein paarmal, und ich hörte etwas wie das Sirren eines Ventilators oder als würde ein kleiner Motor anspringen.
    » Mon dieu, mon enfant!«, sagte der Junge. » Mein Gott, Kind! Wo ist denn deine Kiste?«

4.
    Ich strengte superkonzentriert mein Hirn an, um eine Antwort auf die Frage zu finden, wo denn meine Kiste sei. Vielleicht dachte dieser Junge mit der Baskenmütze, nachdem er ein paar Tage ohne Nahrung und Wasser in einer Holzkiste verbracht hatte, dass alle Kinder in Kisten lebten; wahrscheinlich hielt er mich für einen kistenlosen Freak, während er sich selber ganz normal fand.
    » Ich lebe nicht in einer Kiste«, erwiderte ich, » aber es sieht cool aus und macht bestimmt Spaß.«
    Nein, eigentlich glaubte ich nicht, dass es cool war und Spaß machte, in einer Kiste zu leben, aber ich wollte einfach nett sein, weil er aus einem anderen Kulturkreis kam. Ma sagt, es ist wichtig, zu allen Leuten nett zu sein, nicht nur zu Leuten, die aussehen wie wir und reden wie wir und riechen wie wir. Wahrscheinlich hat sie recht, außer wenn es um Mädchen geht. Zu Mädchen nett zu sein, geht voll gegen meine Prinzipien.
    Also sagte ich zu dem Jungen: » Möchtest du vielleicht aus deiner Kiste rauskommen? Hast du Hunger? Ich kann uns was zu essen machen– magst du Käsetoast? Traubensaft? Wir haben auch Milch, aber Milch verschleimt mich. Verschleimt Milch dich auch?«
    Keine Antwort von dem Jungen, der mich immer noch mit diesem grusligen Wo ist denn deine Kiste -Blick betrachtete. Er hielt ganz komisch den Kopf schief und tastete michmit den Augen ab, von oben bis unten, von links nach rechts, als würde er mich lesen, wie man ein Buch liest. Dann dämmerte mir, dass ihm ja alles weh tun musste, nachdem er wer weiß wie lang in der Kiste eingesperrt gewesen war. Er brauchte meine Hilfe!
    Ich streckte die Arme aus, um den französischen Jungen herauszuziehen. Schob die Hände unter seine Achselhöhlen und zog mit einem heftigen Ruck. Und plötzlich hielt ich die obere Hälfte des Jungen in den Händen, während seine Hüften, Beine und Füße noch in der Kiste lagen!
    Neeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin!
    Ich hab gerade den Jungen in der Kiste umgebracht!
    Neeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin!
    Ich konnte nicht mehr denken. Aber ich musste nachdenken.
    Neeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin! Ich hab ihn umgebracht!
    Neeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin!

    Ich stand kurz davor, 112 zu wählen, als mein Hirn wieder ansprang und ich merkte, dass der Junge kein bisschen tot ausschaute und ich nirgends Blut oder Innereien sah. Und dann entdeckte ich zwei Kabel, die unten aus seinem Bauch herauskamen, die Art von Kabel, mit der man Spielkonsolen und DVD -Player an einen Fernseher anschließt.
    Ein Junge mit Kabeln? Das war doch völlig abgedreht! Ich hielt ihn so weit wie möglich von mir weg. Am liebsten hätte ich ihn weit von mir geworfen und mich in meinem Schrank versteckt, bis Ma und Pa heimkamen. Sie wüssten, was zu tun war. Sie wissen immer, was zu tun ist.
    Aber ich wollte dem armen Jungen ja nicht wehtun. Ich kicherte fast hysterisch vor mich hin – wehtun? Ich hatte ihn gerade in zwei Teile zerrissen! Als ich kicherte, lächelte mich der Junge an, als wüsste er gar nicht, dass seine untere Hälfte in der Kiste geblieben war. Bei Würmern hatte ich das ja schon gesehen, dass sie weiterleben, wenn man sie in zwei Teile zerhackt, aber noch nie bei einem Jungen!
    Und das konnte nur eines heißen. Der Junge– Achtung, Trommelwirbel– war eine Fälschung. Eine Maschine! Ein Roboter! Megacool. Obwohl man ihn nicht als Geburtstagsgeschenk für mich geschickt hatte, war ich total aufgeregt. Wir besaßen einen sprechenden Roboter! Das würde ein Spaß werden. Das war viel besser als ein neues Fahrrad oder Schneemobil.
    Ich setzte seine obere Hälfte auf den Teppich, holte seine restlichen Bestandteile aus der Kiste– Hüften und Beine in Jeans, Füße in Socken und Schuhen– und legte sie in der richtigen Reihenfolge nebeneinander. Alles roch neu: neue Jeans, neue Socken, neue Schuhe, neuer
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