Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho
Autoren: Ephraim Kishon
Vom Netzwerk:
dressierter, serviler, mechanisch gehorchender Hund war, sondern ein unabhängiges, selbständig denkendes Lebewesen.
    Nur schade, daß er immer auf den Teppich pinkelte.
    Er pinkelte immer, und nur auf den Teppich.
    Warum? Ich weiß es nicht. Nach den Erkenntnissen der neueren Tiefenpsychologie wäre anzunehmen, daß diese unglückselige Gewohnheit auf ein traumatisches Kindheitserlebnis zurückginge oder auf etwas noch Früheres. Vielleicht ist Zwinji in einem Mohnfeld auf die Welt gekommen und muß deshalb pinkeln, sobald er einen roten Teppich sieht, für den ich ein Vermögen gezahlt habe. Im übrigen bleiben die Ursachen unwesentlich und die Flecken bleiben Flecken.
    Ich wollte mich mit Zwinjis sonderbaren Pinkelgewohnheiten nicht abfinden und begann mein wohldurchdachtes Erziehungswerk:
    »Es ist verboten, auf den Teppich zu pinkeln«, sagte ich ihm langsam und deutlich, mit lehrhaft erhobenem Finger. »Verboten, hörst du? Verboten! Pfui!« Und nach jedem Zuwiderhandeln wurde meine Stimme strenger und mein Finger erhobener. Andererseits überschüttete ich ihn mit Lob, Liebkosungen und Leckerbissen, wenn er sein Geschäft einmal irrtümlich im Ziergarten vollzog, der auch damals noch einigermaßen gepflegt aussah und erst nach und nach, unter der Einwirkung von Zwinjis kräftig wachsenden Zähnen, zu verwildern begann.
    Wahrscheinlich zog Zwinji aus meinen abwechslungsreichen Verhalten den Schluß, daß diese zweibeinigen, bald wütenden und bald zärtlichen Geschöpfe, mit denen er’s zu tun hatte, sehr launenhaft sein müßten…
    Wer kennt sich mit den Menschen schon aus.
    Da Zwinji nicht imstande war, die primitivsten Gesetze der Hygiene zu begreifen und zu befolgen, mußte ich mir immer neue, immer raffiniertere Erziehungsmaßnahmen einfallen lassen. Ich legte mir eine Art Eskalation zurecht. Als erstes würde ich ihn daran gewöhnen, nicht auf rote Teppiche zu pinkeln, sondern auf andersfarbige, und dann würde ich ihn aus dem Haus locken, so daß er sein Bedürfnis im Freien verrichten könnte, vorzugsweise in den benachbarten Gärten.
    Mit diesem Ziel vor Augen bedeckte ich unseren roten Teppich mit einem grauen und stellte für jedes graue Pipi eine Bratwurst als Prämie bereit.
    Nach etwa zwei Wochen, in denen Zwinji sich an den grauen Teppich gewöhnt hatte, legte ich den roten wieder bloß. Zwinji, der sich gerade im Garten befand, kam freudig bellend herbeigesaust und pinkelte auf den roten Teppich. Hunde sind bekanntlich treu.
    Natürlich war mein Vorrat an Pädagogik noch lange nicht erschöpft. Ich beschloß, in Zwinjis Herzen die Liebe zur Natur zu wecken, kaufte eine lange, grüne Leine und ging mit ihm allnächtlich nach Petach-Tikvah. Ein schöner Spaziergang durch eine schöne Gegend, zumal im Mondschein. Zwinji bewahrte während des ganzen Wegs bewundernswerte Zurückhaltung. Erst kurz vor unserem Haus wurde er unruhig, und kaum hatte ich die Tür geöffnet, machte er einen Satz auf den roten Teppich, wo er sofort in Aktion trat.
    Mit der Zeit begann ich mich zu fragen, warum das alles denn sein müßte und warum ich’s mir eigentlich gefallen ließ.
    Ich brachte das Problem auch meiner Frau gegenüber zur Sprache. Sie verwies mich auf den französischen Philosophen Rousseau, der bekanntlich die These aufgestellt hat, daß alles, was natürlich ist, auch schön sei. Mit anderen Worten: es war natürlich, daß Zwinji immer nur auf den Teppich pinkelte.
    Was aber tat die Natur in ihrer grenzenlosen Weisheit?
    Eines Morgens, als Frau Kaminski wieder einmal mit einigen Knochen für den Hund herüberkam, erzählte ich ihr von Zwinjis hygienischen Schwierigkeiten und bekam folgendes von ihr zu hören:
    »Weil Sie ihn schlecht erzogen haben. Weil Sie nicht wissen, wie man mit Hunden umgeht. Weil Sie ihn falsch behandeln. Sie müssen jedesmal, wenn er den roten Teppich benützt, müssen Sie ihm jedesmal die Schnauze hineinstecken, dann müssen Sie ihm einen Klaps geben und ihn zum Fenster hinauswerfen. So macht man das.«
    Obwohl ich kein Freund körperlicher Züchtigung bin, machte ich es so. Zwinji kam, sah und pinkelte – ich steckte seine Schnauze hinein, gab ihm einen Klaps und warf ihn zum Fenster hinaus. Die Prozedur wiederholte sich mehrmals am Tag, aber ich ließ nicht locker. Es war mein Lebensehrgeiz geworden, Zwinji seine schlechten Pinkelsitten abzugewöhnen.
    Langsam, sehr langsam, begannen sich die Früchte meiner Geduld zu zeigen. Zwinji hat sich doch manches gemerkt und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher