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Nicht ganz schlechte Menschen

Nicht ganz schlechte Menschen

Titel: Nicht ganz schlechte Menschen
Autoren: H Krausser
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Liebesspiel (das Wort fand er im richtigen Zusammenhang
köstlich und sehr treffend) manchmal einen Hieb mit der Rute versetzte, was er
sich immer öfter und bereitwilliger gefallen ließ. Claudette stammte aus
Dahomey und ihre Haut war milchkaffeebraun und weich. Du bleibst mal schön in
Paris, lautete ihr Kommentar. Wir habens doch gut hier, wir zwei.
    Ellie
trank sich mit zwei Gläsern Cognac Mut an und bat, am 22. August, nach dem
Abendessen, Pierre um eine Unterredung in seinem Büro. Dort eröffnete
sie ihm, künftig nicht mehr mit ihm schlafen zu wollen.
    Warum, wenn ich fragen darf?
    Es bereitet mir keine Freude.
    Was kann ich anders machen?
    Diese Frage, sagte Ellie, hätte er wohl früher einmal stellen
sollen. Dafür sei es zu spät.
    Was bedeutet das bitte?
    Ich möchte mich von dir trennen.
    Warum? Pierre wirkte überrascht, zeigte äußerlich jedoch Haltung.
Nur an seinen Fingerspitzen, die sich ins rote Leder der Sessellehnen bohrten,
war ihm die Körperspannung anzusehen.
    Wir hatten unsre Zeit, und die ist jetzt vorbei. Ich möchte gleich
dazusagen, daß Blanche nicht der Grund ist.
    Was bitte hätte denn Blanche damit zu tun, verdammt?
    Das weißt du definitiv besser als ich. Aber wie gesagt, sie ist
nicht der Grund. Ich habe dich geliebt, jetzt tue ich das nicht mehr. So
einfach ist das.
    Du machst es dir einfach. Was soll das? Gibt es einen anderen Mann?
    Ich bitte dich. Werd nicht primitiv. Nein, mit einem anderen Mann
hat das nichts zu tun. Du kannst mich undankbar nennen. Und herzlos. Aber
unehrlich bin ich nicht. Laß uns bitte vernünftig bleiben.
    Wobei du bestimmst, was vernünftig ist?
    Ich hab zu dir gehalten, in guten wie in schlechten Zeiten. Jetzt ist die Zeit weder gut noch
schlecht, nur eben so mittel, so unerträglich mittel und mäßig. Das
Feuer ist aus, wir stochern noch ein bißchen in der Asche rum, das reicht mir
nicht.
    Was wirfst du mir denn vor?
    Pierre, darauf gibt es keine Antwort. Man wirft Schweinen Dreckfraß
vor, damit sie satt sind. Du bist ein guter Kerl.
    Was wird das hier? Hat Max dir das eingeflüstert?
    Wieso denn Max ? Laß ihn mal aus dem Spiel. Die Sache betrifft uns
zwei allein. Ich möchte mich verändern. Gib mich bitte frei. Laß uns einen
Trennstrich ziehen. In Freundschaft, ohne Groll. Ohne Vorwürfe und Nachwürfe.
    Pierre traten die Tränen in die Augen. Statt einer Antwort verließ
er wortlos das Büro und bereitete sich im großen Salon, auf der breiten
Recamiere neben der Bühne, ein Nachtlager aus Kissen und Tischdecken. Es hätte
ein freies Zimmer für ihn gegeben, oder er hätte in seine Wohnung gehen können,
aber er wollte Raum um sich haben, möglichst viel Raum. Was ihn am meisten schmerzte, vielmehr vor den Kopf
stieß, war Ellies Weigerung, über die Sache zu diskutieren. Das war demütigend.
So unterband man die Renitenz eines Kindes. Man schickte es auf sein Zimmer und
verbot jede Widerrede. Vielleicht meinte Ellie es gut, zielte auf ein schnelles
Ende ab. Oder hatte Angst, zu einem letzten Versuch überredet zu werden.
Wenn man vor etwas Angst hat,
dann, weil man es für möglich hält. Ein Funken Hoffnung flog durch die Nacht.
Und erlosch. Zu rabiat hatte sie den Knoten zerhauen. Pierre fand keinen
Schlaf, holte gegen zwei Uhr morgens aus der Küche eine Flasche
Aprikosenschnaps und trank sich in die Besinnungslosigkeit. Ellie aber
ging zu Max, küßte seine Ohren, machte ihm Meldung, daß alles nun so sei wie
von ihm gewünscht.
    Na endlich.
    Wird er sich gut um die Katzen kümmern, was meinst du?
    Pierre brachte nicht die Kraft auf, um Ellie zu kämpfen.
Zu entmutigend, zu vollendet wirkte die Tatsache, vor die sie ihn gestellt
hatte. Was nicht bedeutete, daß er begonnen hätte, mit den Fingernägeln an dem
Fels zu kratzen, der ihm auf der Seele lag. Eher wollte dieser Fels gemessen
und gewogen werden.
    Wie fast jeder verlassene Mann begehrte er mehr über Ellies Motive
zu erfahren, schon allein, um sich an der richtigen Stelle Vorwürfe machen zu
können. Er glaubte daran, daß während seiner Haftzeit etwas geschehen sein
mußte. Wenn kein anderer Mann seine Hand im Spiel hatte, schien es ihm
unbegreiflich, daß eine Frau, einfach so, auf alle Vorteile verzichten wollte,
die eine Verbindung mit ihm bot. Auch wenn Frauen, wie unter floskelnden
Männern so oft zu hören war, letztlich unbegreiflich seien, hatte er Ellie doch
stets als pragmatisches und vernunftorientiertes Wesen geschätzt. Er konnte
sich zudem partout nicht daran
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